Atlantis in Ohio?

Jackson Judge, die Relkte der Adena-Kultur und die 'Schlangengötter vom Mars'

von Stelios Grant Pavlou

Abb. 1 Die von E. G. Squier Mitte des 19. Jahrhunderts erstellte Karte der Portsmouth Earthworks Group C. Die Anlage weist in der Tat eine merkliche Ähnlichkeit mit Platons Beschreibung der Metropolis von Atlantis auf.

Im Jahr 1980 schrieb Jackson Judge, damals ein Anthropologie-Student im grundständigen Studium an der Universität Indiana, eine Arbeit über die Adena-Kultur. [1] Die Adena-Kultur war eine präkolumbische nativ-amerikanische Kultur, die von 1000 bis 200 v.Chr. bestand, in einer Zeit, die als die frühe Waldzeit bekannt ist. Er behauptete, die Adena-Tafeln, Steintafeln, von deren einige Reste von Farbe aufweisen, übersetzt zu haben, während die meisten Archäologen meinen, dass sie dazu benutzt wurden, um Textil-Gewebe mit Mustern zu versehen, aber Judge glaubt, dass sie der älteste bekannte Beweis für eine Schrift-Druckmaschine sind. Judge ist der Ansicht, dass auf den Tafeln hochentwickelte Details über die menschliche Fortpflanzung verzeichnet sind.

Er konzentrierte sich auch auf die Grabhügel der Hopewell-Kultur in Ohio (Abb. 2), vor allem auf die Biggs Site (15Gp8), auch bekannt als die Portsmouth Earthworks Group C (Abb. 1). Diese archäologische Fundstätte, von der man annimmt, dass sie der Adena-Kultur entstammt, befindet sich genau genommen in der Nähe von South Shore im Greenup County, Kentucky.

Abb. 2 Der große Bestattungs-Mound bei Chillicothe in Ohio - hier auf einer historischen Aufnahme, die vor seiner Ausgrabung und Verwüstung im Jahr 1901 entstand - gehörte zu den bedeutendsten Hinterlassenschaften der alten Adena-Kultur, welche Jackson Judge mit Platons Atlantis in Verbindung bringt.

Gruppe C war ursprünglich eine große Reihe konzentrischer kreisförmiger Böschungen und Gräben rund um einen zentralen konischen Grabhügel. Sie war Teil eines größeren Komplexes, den Portsmouth Earthworks, die sich quer über den Ohio River erstreckten, später aber größtenteils durch das Wachstum der modernen Stadt Portsmouth, Ohio, ausradiert wurden. Die Anlage wurde 1847 von E. G. Squier zur Aufnahme in sein bahnbrechendes archäologisches und anthropologisches Werk "Ancient Monuments of the Mississippi Valley" [2] (Geschichte der altertümlichen Denkmäler des Mississippi-Tals) untersucht und abgebildet. Judge brachte vor, dass die Gestaltung der Struktur perfekt mit Platons Beschreibung von Atlantis übereinstimme, weshalb er Atlantis Ohio zuordnete.

Allerdings ging er noch weiter, in dem er konstatierte: "Platon sprach niemals von eimem >Ozean<, sondern er sagte >Meer<, womit >ein großer Körper aus Wasser< gemeint ist, der Ohio River. Natürlich begann die erste interplanetare Kolonisation durch die >Götter< [bereits] zur Zeit des Großen Binnenmers [orig.: "Great Inland Sea"; d. Red.]. [3] Regiert von diesen Seed- (Schlangen) Königen etablierte das atlantische See-Volk später ein Kupferhandels-Imperium [bis] in den Fruchtbaren Halbmond hinein. Dies war der kulturelle Einfluss von Atlantis quer durch Europa bis nach Ägypten, wie von Plato beschrieben. Die Sintflut [orig.: "Noah's Flood"; d.Ü.] verzeichnet den Untergang von Atlantis durch den Asteroiden, der ca. 10.000 v.Chr. den Golf von Mexiko erschaffen hat, und löschte die riesigen Tiere aus, welche die Erde durchstreiften [...]

Es gibt absolut keinen Zweifel daran, dass die Atlanter Stonehenge und die Große Pyramide erbaut haben. Die doppelten Hufeisen bei der größten alten Stadt Nordamerikas sind Doppelgänger [4] und der Gizeh-Komplex wurde nach [dem Vobild] der zweitgrößten Mound Builder-Stadt bei New-Ark, Ohio, gebaut. [Sic!; d. Red.] Die Stadt Atlantis ist auch der größte DNS-Strang der Welt [d.h.: die angebliche (!) Abbildung eine solchen Strangs; d. Red.], eine zehn Meilen lange Doppelhelix, die auf eine absichtliche menschliche genetische Mischung [orig.: "genetic cross" (Rassenkreuzung); d. Red.] ca. 125.000 v.Chr. hinweist."

Seitdem, nach seiner Beteiligung am Burrows Cave-Hoax [5], ist Jackson Judge aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden.


Ein notwendiger redaktioneller Kommentar

(red) Dass Stel Pavlou obiges Zitat und die Atlantis-These von Jackson Judge, den er in einem anderen Artikel [6] durchaus abfällig als "self proclaimed Biblical Archaeologist" ("selbsternanner Bibel-Archäologe") bezeichnet, nicht explizit kommentiert, darf man wohl als 'beredtes Schweigen' interpretieren, also letztlich doch als Kommentar im Sinne von: Was soll man dazu denn noch sagen?

Abb. 3 Links: Eine Darstellung der 'Nordamerikanischen Inland-See' (Western Interior Seaway), wie sie vor ca. 100 Millionen Jahren existiert haben soll. Sollte Judge wirklich davon ausgehen, dass die von ihm behauptete Kolonisierung der Erde duch Marsianer bereits zu dieser Zeit erfolgt sei, so wären sie stolze 34 Millilionen Jahre vor dem Endkreide-Impakt (künstlerische Abbildung, rechts) auf unseren Planeten gelangt, wo sie dann weitere 66 Millionen Jahre verbrachten, bevor sie zu den 'Königen von Atlantis' wurden - eine, um es unumwunden zu sagen, absurde, ganz und gar aberwitzige Vorstellung!

Tatsächlich wirkt besagtes Zitat ziemlich wirr, skurril und voller höchst spekulativ erscheinender Aussagen sowie versetzt mit einem kräftigen 'Schuss' Prä-Astronautik, was Jackson Judges Ideen aus Sicht der Mainstream-Wissenschaft und schulwissenschaftlich orientierter Atlantisforscher ohnehin 'unverdaulich' macht. Wir sollten jedoch, bevor wir ohne Weiteres den sprichwörtlichen Stab über Judge brechen, das Folgende zur Kenntnis nehmen:

Zunächst einmal ist davon auszugehen, dass Stel Pavlou in seinem Artikel nicht Jackson Judge selber bzw. aus dessen Arbeit zitiert, sondern vermutlich aus einem Buch des Esoterikers und Paläo-SETI-Verfechters [7] Peter R. Farley [8]. Dieser bezieht sich wiederum unter Verweis auf eine dubiose Webseite auf den Artikel "Stargate Archaeologst Claims Smithsonian Institution Pulished Survey of Lost City in 1848" eines ungenannten Autors. Die betreffenden, unzureichend belegten Informationen stammen also aus dritter Hand, womit sie für seriöse Studien eigentlich ungeeignet sind. Zudem erscheint es zweifelhaft, ob es sich bei Judges Text, dessen Existenz sich zumindest ad hoc nicht einmal verifizieren lässt [9], überhaupt um eine, von der Indiana University "offiziell zugelassene" (orig.: "accredited"; Farley, 2011) wissenschaftliche Arbeit handelt. Ernstlicher Zweifel ist hier wohl angebracht.

Abb. 4 'Doppelte Hufeisen' - bzw. omega-förmige Erdwerke (siehe dazu auch Fußnote 4) -, hier rot markiert, als Teil der Anlage von Newark in Ohio, die von Angehörigen der so genannten Hopewell-Kultur errichtet wurde. Da diese Kultur offenbar erst ca. 100 Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung entstand, ist Judges, bei Farley (2011) zitierte Behauptung unsinnig, die Baustrukturen auf dem Gizeh-Plateau seien nach dem Vorbild der Anlage von Newark erbaut worden.

Tony O’Connell dagegen spricht im Zusammenhang mit Jackson Judge und dessen Atlantis- sowie Moundbauer-Betrachtung [10] nicht von einer wissenschaftlichen Haus- oder Diplomarbeit ("thesis"; Farley, 2011) aus dem Jahr 1980, sondern über ein im Jahr 1993 von Judge veröffentliches Buch mit dem Titel "Mound Builder: The Future of Ancient Science". [11] [12] Außerdem zitiert er aus der selben - offenbar von Judge betriebenen - Webseite (inzwischen offline), welche auch Farley (2011) heranzieht. In der "bescheidenen Einführung" in diese Webseite, wie O’Connell ironisch bemerkt, hieß es: "Willkommen bei den Vereinigten Staaten von Atlantis: USAtlantis.com. Die urheberrechtlich geschützte Datenbank ist Millionen, wenn nicht Milliarden wert, und es kostete Hunderttausende Dollars, sie im Verlauf von 24 Jahren anzulegen. Jackson kostete es bei mehreren Gelegenheiten fast sein Leben." [13] Doch dies nur als anekdotenhafte Randnotiz.

Zusammenfassend ist jedenfalls festzustellen, dass sich wohl keine wirklich substanzielle Kritik an Judges Theorie vornehmen lässt, ohne zuvor sein Buch aufgetrieben und gelesen zu haben, dessen "450 Seiten [umfassendes] Manuskript, das 200 Illustrationen [und] eine mit Annmerkungen versehene Bibliographie hervorhebt, [...] zusammen mit einem 60-minütigen Video erhältlich ist" [14], wie es 1993 hieß. Was uns bisher vorliegt, sind lediglich zumeist wenig aufschlussreiche Informations-Schnipsel, die insgesamt allerdings kein gutes Licht auf die Reputierlichkeit von Judges Arbeit werfen.

Wenigstens läst sich mit einiger Zuverlässigeit grob rekonstruieren, wie sich Judges 'Götter vom Mars' als 'Könige von Atlantis'-Szenario ableiten lässt. Dazu heißt es bei Farley im einem Absatz, der in Stel Pavlous Beitrag nicht vorkommt: "Die Legende von Atlantis ist von vielen Gelehrten mit dem Bericht in der Genesis gleichgesetzt worden, worin sich die >Söhne einer Götter-Rasse mit den Töchtern der Menschen paarten<. Bei der Untersuchung fein detaillierter NASA-Fotos zerstörter Pyramiden-Städte auf dem Mars, hat Judge massive Übereinstimmungen mit der Architektur großer Moundbauer-Städte gefunden." [15]

Objektiv festsellen lässt sich jedenfalls, dass die Atlantis-Lokalisierung des Jackson Judge sowie seine Hypothesen zu den Moundbauern und einer hypothetischen Urzeit-Zivilisation des Planeten Mars weder im Bezirk konventioneller Wissenschaft, noch in den Bereichen der Atlantisforschung oder der Prä-Astronautik irgendeinen spürbaren Eindruck hinterlassen haben. Dies, aber auch die Tatsache, dass sich nicht einmal second hand gebrauchte Exemplare seines Buches auftreiben lassen, spricht nicht gerade für eine irgendwie geartete Bedeutsamkeit seiner Arbeit.


Anmerkungen und Quellen

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(red) Dieser Beitrag von Stelios Grant Pavlou ist ein von uns ins Deutsche übersetzter, redaktionell bearbeiteter und kommentierter Auszug aus seinem Artikel "USA, Ohio" (Lizenz: CC0 1.0 Universal; Stand / jüngste Bearbeitung: 17. April 2016), bei atlantipedia.com (abgerufen: 25. Feb. 2017) Der abschließende Satz wurde seinem Artikel "Jackson Judge" entnommen, der ebenfalls bei atlantipedia.com erschienen ist.

Fußnoten:

  1. Siehe (angeblich!): Jackson Judge, "The Keys to Atlantis: Mound Builder-Texts, Tombs, Temples: The Future of Ancient Science", Indiana University: Academic Thesis, 1980.
  2. Siehe: Ephraim George Squier, "Ancient Monuments of the Mississippi Valley: Comprising the Results of Extensive Original Surveys and Explorations", New York, Bartlett & Welford; Cincinnati, J. A. & U. P. James, 1848
  3. Red. Anmerkung: Wir gehen davon das, dass Jackson Judge mit "Great Inland Sea" die North American Inland Sea (Western Interior Seaway) (Abb. 3, links) meint - und diese existierte nach herrschender Lehrmeinung während der mittleren bis späten Kreidezeit (Cretaceum), womöglich noch bis zum frühen Paläogen. Selbst wenn man eine merkliche Kürzung der geologischen Zeitskala vornimmt, was eine ganze Reihe von Forschern abseits des akademischen Mainstreams fordert, bleibt im vorliegenden Fall noch immer ein chronologischer Abgrund von Abermillionen Jahren, den Judges 'Marsgötter' bis zur Zeit von Atlantis hätten überbrücken müssen. Ein solches Szenario erscheint absolut unglaubwürdig.
  4. Red. Anmerkung: Bei den oben erwähnten "Hufeisen" (Engl.: "horseshoe") handelt es sich um eine populäre Bezeichnung für eine bestimmte Form von Moundbauer-Erdwerken, die tatsächlich eher dem altgriechischen Großbuchstaben 'Omega' ähnelt. Ein 'doppeltes Hufeisen' findet sich beispielsweise in der großen Anlage von Newark (Abb. 4), die zwischen 100 v.d.Z. und 500 n.d.Z. entstand. Was jedoch bei Judge bzw. Farley mit "Doppelgänger" (orig.: "dead-ringer") gemeint ist, bleibt schleierhaft. Ebenso unklar ist, welche Moundbauer-Metropole er den Status der "größten alten Stadt Nordamerikas" zubilligt.
  5. Red. Anmerkung: Dass es sich bei der Causa 'Burrows Cave' tatsächlich un einen Hoax handelt, wie Stel Pavlou hier ohne Wenn und Aber behauptet, ist keineswegs klar und bewiesen. Siehe z.B.: "The Saga of Burrows Cave", zusammengestellt von Glen W. Chapman, mit einem Vorwort von James P. Scherz, August 2001
  6. Siehe: Stelios Grant Pavlou, "Jackson Judge", 17. April 2016 (jüngste Bearbeitung), bei atlantipedia.com (abgeruen: 26. Feb. 2017)
  7. Siehe dazu: Peter Farley, "How to Channel", (ohne Datierung) bei ufodigest.com (abgerufen: 25. Feb. 2017)
  8. Siehe: Peter R. Farley, "Where Were You Before The Tree of Life? Volume 6", Lulu.com, 2011, S. 158
  9. Anmerkung: ...zumindest nicht mittels einer schnellen Nachschau mittels Google. Dabei stellt sich zwar heraus, dass auch David Hatcher Childress in einem Beitrag bei Atlantis Rising (siehe dazu: hier und hier) Judges Atlantis-Lokalisierung kurz in einer Randbemerkung erwähnt - übrigens ebnso auch hier -, aber ebenfalls keine Quellenangabe liefert.
  10. Siehe: Tony O’Connell, "Judge, Jackson (L), 8. Juni 2010, bei Atlantipedia.ie (abgerufen: 25. Feb. 2017)
  11. Anmerkung: Auch über dieses Buch und seinen Inhalt lässt sich im Internet kaum etwas in Erfahrung bringen. Angeblich soll sich ein Exemplar in der Joseph Mahan Collection (MC 32) der Columbus State Univrsity befinden.
  12. Siehe zum Buch von Judge (1993) auch: Mark Hall, Archaeological Research Facility, Kroeber Hall UCB - Berkeley, CA: Mails vom 7. und 13. Juli 1993; archiviert von The Oriental Institute of the University of Chicago, unter: http://oi-archive.uchicago.edu/research/library/ane/digest/v01/v01.n002 --- Anmerkung der Redaktion Atlantisforschung.de: Diese Mails enthalten u.a. Material - weitghend im Wortlaut identisch mit dem, was bei Farley (2011) zu finden ist - aus einem PR-Text für "Mound Builder: The Future of Ancient Science", in welchem das Erscheinen des Buches für den Juli 1993 angekündigt wird. Außerdem wird darin erklärt, Judge habe 1988 an der Martin University in Indianapolis im Fach 'Biblical archaeology' graduiert.
  13. Quelle: Tony O’Connell, op. cit., (Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  14. Quelle: o.A., "ATLANTIS FOUND: Archaeologist Claims Smithsonian Published a Survey of Lost City in 1848" (Release 93-127.), Parameter Systems, Indianapolis. Indiana; zit. nach: Mark Hall, op. cit., 1993 (Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  15. Quelle: Peter R. Farley, op. cit., 2011 (Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)

Bild-Quellen:

1) Ephraim George Squier, "Ancient Monuments of the Mississippi Valley: Comprising the Results of Extensive Original Surveys and Explorations Ancient Monuments of the Mississippi Valley: Comprising the Results of Extensive Original Surveys and Explorations", 1848; nach: Stelios Grant Pavlou, op. cit. (2016)
2) William Corless Mills, "Archaeological Atlas of Ohio", Columbus, Ohio, 1914, S. 71A; nach: Nyttend bei Wikimedia Commons, unter: File:Adena Mound.jpg
3) Links: United States Geological Survey, bei Wikimedia Commons, unter: File:Cretaceous seaway.png
3) Rechts: Xoxxo, "KT-Grenze - Ursache Aliens?", 21. Februar 2010, bei allmystery.de
4)Ephraim George Squier and Davis engraving, plate number XXV, of Newark Earthworks in Licking County, Ohio.; nach: Heironymous Rowe bei Wikimedia Commons, unter: File:Newark Works Squier and Davis Plate XXV.jpg (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)