Lemma »Riesen« im Bilder-Conversations-Lexikon für das deutsche Volk (1839)

Abb. 3 Der deutsche Verleger Friedrich Arnold Brockhaus 'zementierte' im Jahr 1839 im deutschen Sprachraum enzyklopädisch die Ansicht, in der Vergangenheit habe es keinerlei Populationen riesenhafter Menschen gegeben. Seine vor ca. 120 Jahren geäußerten Ansichten zu diesem Thema werden noch heute von Wissenschaftlern ungeprüft kolportiert.

Riesen nennt man vorzugsweise Menschen von sehr hohem, die gewöhnliche Menschengröße ansehnlich überschreitendem Wuchse, welche in gemäßigten Erdgegenden zwischen fünf und sechs F. [ca. 1,52 m und 1,83 m; d.Red.] beträgt. Obgleich es nun erwiesen ist, daß Menschen eine Größe von 7 - 8 F. [ca. 2,13 m bis 2,44 m; d. Red.] erreicht haben, so waren das doch immer nur einzelne, und was im Alterthum oder später von Riesenvölkern und Riesengeschlechtern erzählt wurde, gehört der Fabel an. So reden die h. Überlieferungen der Juden von Riesen vor und nach der Sündflut, deren letzter der von Moses besiegte König Og (s.d.) von Basan gewesen sein soll, und dem von David überwundenen Goliath schreiben die jüd. Ausleger eine Länge von 11 F. [ca. 3,35 m; d. Red.] zu. Die griech. Mythen erzählen ebenfalls viel von Riesen (s. Giganten, Titanen, Kyklopen), die ind. Mythologie läßt Brahma Riesen hervorbringen und in der nordischen spielen sie nicht minder eine wichtige Rolle. (S. Götter und Götterlehre) Nach der Meinung der Römer waren besonders die nördl. Länder die Heimat von Riesen und in der Schlacht, welche Marius (s.d.) bei Aquae Sextiae den Teutonen lieferte, soll deren König Teutobocus als ein ungeheurer Riese aufgetreten sein. In den Ritterromanen des Mittelalters nehmen die Riesen neben Feen, Zwergen und anderen fabelhaften Wesen auch ihre Stelle ein. Die Entdeckung von Amerika brachte von Neuem Gerüchte von den dort lebenden Riesenvölkern in Umlauf, welche sich am Ende auf die Patagonier (s.d.) beschränkt haben, von denen viele eine seltene Größe erreichen. Ebenso ist von Alters her viel Unerhörtes von aufgefundenen Riesengerippen berichtet worden. Nach Strabo ward z.B. das 60 Ellen lange Gerippe des vom Hercules erdrückten fabelhaften Antäus in Mauretanien gefunden und 1613 wollte man in Hochburgund die Gebeine des ebengenannten Königs Teutobocus entdeckt haben. Doch gilt vermutlich von diesen wie von ähnlichen spätern Funden angeblicher Riesengerippe, daß sie vorweltlichen Thieren angehören und aus Unkunde für menschliche gehalten worden sind. Auch die sogenannten Hühnengräber (s.d.) hat man für Riesengräber ausgegeben.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag wurde F. A. Brockhaus’ "Bilder-Conversations-Lexikon für das deutsche Volk - Ein Handbuch zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse und zur Unterhaltung", Dritter Band (M-R), Leipzig, 1839, S. 710, entnommen.

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