Notizen zu: Stephan W.E. Blum, Atlantis – Vom vielen Suchen und nichts finden

Version vom 28. März 2019, 03:28 Uhr von BB (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Ein weiterer gescheiterter Versuch, Atlantisforschung als sogenannte 'Pseudowissenschaft' zu diskreditieren

(bb) Bei Atlantisforschung.de sind wir ja - wie sich inzwischen herumgesprochen haben dürfte - unter anderem um den Nachweis bemüht, dass auch heutige universitäre Verfechter der Fiktionalitäts-These in Sachen Atlantis, wie etwa Eric H. Cline, Christopher Gill oder Sarah Broadie, nur mit dem sprichwörtlichen 'Wasser kochen'. Dabei kann von 'Kochen' eigentlich gar nicht gesprochen werden, da besagtes Wasser zumeist nur Zimmertemperatur aufweist, allenfalls lauwarm ist, oder sogar frisch aus dem Kühlschrank geholt erscheint. Auf die für einen veritablen Diskurs notwendige 'Betriebstemperatur' bringt jenes 'Wasser' derzeit im Kreis der involvierten Fachwissenschaftler offenbar niemand mehr.

Abb. 1 Das Frontcover des von dem Ägyptologen Stefan Baumann herausgegebenen Buches 'Fakten und Fiktionen – Archäologie vs. Pseudowissenschaft' (2018), in dem Stephan W.E. Blums Aufsatz erschienen ist

Dies gilt augenscheinlich auch für den Archäologen Stephan W.E. Blum, der sich mit seinem 2018 erschienenen Aufsatz "Atlantis – Vom vielen Suchen und nichts finden" in die Phalanx universitärer Atlantologie-Kritiker einreihte, und zwar in jene Abteilung, deren Angehörige massive atlantologische Wissenslücken zu erkennen geben, aber trotzdem meinen, "pauschalen Spott über Atlantissucher jedweder Art auskippen zu können" [1], wie Thorwald C. Franke es formuliert, der derzeit profilierteste Experte für die historische und zeitgenössische Rezeption von Platons Atlantis-Erzählung.

Bevor wir etwas näher auf Frankes lesenswerte Kritik an Blums Aufsatz eingehen, sei vorab bemerkt, dass dieser bezeichnenderweise einen Beitrag in dem von dem Ägyptologen Dr. Stefan Baumann herausgegebenen Buch mit dem vielsagenden Titel "Fakten und Fiktionen – Archäologie vs. Pseudowissenschaft" [2] (Abb. 1) darstellt, ein Band, der übrigens bei grenzwissenschaft-aktuell.de sehr wohlwollend, aber keineswegs unkritisch rezensiert wurde. [3]. Zumindest bei allen, welche die unter Wissenschaftshistorikern längst verpönte [4] Verbalkeule "Pseudowissenschaft" als ideologische - und damit explizit unwissenschaftliche Akteursfloskel erkennen, muss schon der Untertitel des Buches Zweifel an seiner wissenschaftlichen Qualität aufkommen lassen.

Zumindest was Blums Beitrag zum Buch betrifft, so zeigt sich deutlich, dass solcher Zweifel durchaus berechtigt ist, denn darin finden sich so viele nachweisbare sachliche und fachliche Fehler, dass der Autor seine Kompetenz selber nachdrücklich in Frage stellt. Hier einige dieser Irrtümer und Unrichtigkeiten, die Thorwald C. Franke - der sich übrigens keineswegs an dem auch von ihm gerne verwendeten Terminus 'Pseudowissenschaft' stört - in seiner Rezension zusammengestellt hat:

"Gleich der erste Satz ist falsch: >Von vielen gesucht, aber von nur wenigen gefunden<. Die Crux mit den meisten Atlantissuchern ist doch, dass sie ihre 'Suche' meistens damit beginnen, dass sie bereits 'gefunden' haben! In Wahrheit haben nur wenige wirklich gesucht, und noch niemand gefunden. Dann der Fehler, Atlantis mit den Attributen >exotisch< und >paradiesisch< zu verknüpfen: Selbst Christopher Gill ist von diesem Irrtum wieder abgekommen. Die Könige von Atlantis waren auch keine >Halbbrüder<, sondern fünf Paare von Zwillingsbrüdern. Atlantis war auch nicht einfach eine Seemacht, sondern gleichermaßen See- und Landmacht (seltsamerweise kommt später im Kapitel der Vergleich zu Spartas Landstreitmacht, ohne dass noch von Seemacht die Rede wäre). Ebenfalls falsch ist, dass das Imperium von Atlantis dem Attischen Seebund glich. Während aus Athens Verbündeten mit der Zeit Unterworfene wurden, ist ein solcher Vorgang in Platons Atlantisgeschichte in keiner Weise enthalten. Es ist auch falsch, dass sich die Könige von Atlantis aus Undankbarkeit gegenüber den Göttern mit Sterblichen zu paaren begannen. Vielmehr waren gar keine anderen Frauen da. Die Könige paarten sich von Anfang an nur mit Sterblichen. Und es verwässerte auch nicht ihre >Blutlinie<: Das ist die Sprache der Rassisten des 19. Jahrhunderts, nicht aber die Sprache und das Anliegen Platons." [5]

Dass derartige, an die 'Aussetzer' des griechischen Archäologen und Atlantis-Skeptikers Christos Georgiou Doumas bei seinem Umgang mit den Inhalten der Atlantida erinnernden, Fehlleistungen (bisher) offenbar auf keine fachwissenschaftliche Kritik gestoßen sind, kann eigentlich nur zweierlei bedeuten: Entweder weiß man es in diesen Kreisen nicht besser, was ein echtes 'Armutszeugnis' wäre, oder man sieht geflissentlich und mit Rücksicht auf das gemeinsame Anliegen, Atlantis weiter als 'Fabelreich' darstellen zu können, über Blums Kollektion atlantologischer Fehlleistungen hinweg - was auf wissenschaftliches Totalversagen hinausläuft.

Wie fixiert Stephan W.E. Blum auf jenes Paradigma des 'erfundenen Atlantis' ist, zeigt sich schließlich an der Tatsache, dass er es nicht einmal für notwendig hält, seinen Leser/innen auch nur ansatzweise darzulegen, warum ausschließlich die Fiktionalitäts-These zu Platons Atlantis wissenschaftlich legitim sein soll. Um es mit Frankes Worten zu sagen: "Das Atlantiskapitel versäumt es völlig, zu zeigen, warum Atlantis denn eine Erfindung sein soll, und nicht etwa eine verzerrte historische Überlieferung (so wie z.B. Herodot irrtümlich von Ägypten berichtete, dass es mehr als 11000 Jahre alt sei). Der Versuch einer Begründung für diese These wäre das mindeste gewesen." [6]


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Quelle: Thorwald C. Franke, "Atlantis: Ein verspäteter Streit um Troja - Rezension zu: Stephan W.E. Blum, Atlantis – Vom vielen Suchen und nichts finden", © November 2018, bei atlantis-scout.de (abgerufen: 27. März 2019)
  2. Siehe: Stefan Baumann, "Fakten und Fiktionen – Archäologie vs. Pseudowissenschaft", wbg Philipp von Zabern, 30.10.2018, ISBN 978-3-8053-5172-0
  3. Siehe: Andreas Müller, "Buchneuerscheinung: „Fakten und Fiktionen – Archäologie vs. Pseudowissenschaft“", 03. Februar 2019, bei grenzwissenschaft-aktuell.de (abgerufen: 27. März 2019)
  4. Siehe dazu als umfassende Einführung in die Thematik: Michael Hagner, "Bye-bye science, welcome pseudoscience? Reflexionen über einen beschädigten Status", in: Dirk Rupnow, Veronika Lipphardt, Jens Thiel und Christina Wessely (Hrsg.): "Pseudowissenschaft. Konzeptionen von Nichtwissenschaftlichkeit in der Wissenschaftsgeschichte", Suhrkamp 2008
  5. Quelle: Thorwald C. Franke, op. cit. (2018)
  6. Quelle: ebd

Bild-Quelle: