Publius Cornelius Tacitus und die 'Säulen des Herakles'

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Abb. 1 Eine moderne, im Stil des klassischen Altertums gestaltete Statue des Tacitus vor dem Parlaments-Gebäude in Wien

(bb) Der römische Senator Publius Cornelius Tacitus (Abb. 1) (* um 58 n.Chr.; † um 120 n.Chr.) zählt zu den bedeutendsten Rednern und Historiographen seiner Zeit.

Im Bereich der Atlantisforschung hat Tacitus im Rahmen der Debatte um die Verortung der legendaren 'Säulen des Herakles' (lat.: columnae Herculis) Beachtung gefunden, zu denen er sich in einer Randbemerkung seines ethnographischen Werks Germania (De origine et situ Germanorum liber; 34,1–2) äußerte. Diese kurze Bemerkung findet vor allem bei solchen AutorInnen Erwähnung, welche die besagten 'Säulen' nicht bei Gibraltar am westlichen Rand des Mittelmeers ausmachen, wozu sie nach klassischen Referenzen zur Stützung der Legitimität ihrer abweichenden Annahmen suchen.

So auch der irische Atlantologie-Enzyklopädist Tony O’Connell, der eine zentral-mediterrane Atlantis-Lokalisierung verficht. In seiner Atlantipedia notiert er diesbezüglich zu Tacitus: "In seinem Buch Germania schrieb er [...], dass sich die >Säulen des Herkules< im Land der Friesen in der Nähe des Rheins befanden. Dies ist nur eine klassische Referenz, welche die Tatsache hervorhebt, dass Gibraltar nicht der einzig mögliche Ort dieser Sehenswürdigkeiten war. Es scheint, dass die >Säulen< an mehreren Orten gleichzeitig existierten oder ihre Position im Laufe der Zeit geändert haben." [1]

Etwas anders stellt sich die Sachlage allerdings dar, wenn man einmal etwas näher betrachtet, was genau der Historiograph damals geschrieben hat. Dazu bemerkt der Klassische Philologe Heinz-Günther Nesselrath: "Laut dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus wurden weitere >columnae Herculis< im germanischen Nordseebereich lokalisiert [...]: dort >sollen noch immer Säulen des Herakles erhalten sein, wie die fama verbreitet hat, sei es, dass Herakles dort wirklich hinkam, oder sei es, dass wir uns darin einig sind, alles, was irgendwo großartig ist, auf seinen Ruhm zu beziehen.< Diese Worte bieten zugleich eine schöne Erklärung dafür, wie es zu einer solchen >Proliferation< der >Säulen des Herakles< kommen konnte." [2]

Jedenfalls dürfte damit klargestellt sein, dass Tacitus von der 'germanischen' Säulen des Herakles keineswegs als gesicherte Tatsache sprach - bezeichnenderweise verwendete er in diesem Zusammenhang das Wort "fama", was man im vorliegenden Kontext durchaus mir "Gerücht" übersetzen darf, und erst recht lieferte er damit keinen Beleg für die Annahme, es habe im klassischen Altertum eine ganze Reiche prominenter Lokalisierungen der 'herculischen' Säulen gegeben, die als Alternativen zur Verortung derselben bei Gibraltar infrage kommen.


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Quelle: Tony O’Connell, "Tacitus, Cornelius", 22. Mai 2010, bei Atlantipedia.ie (abgerufen: 10. Juni 2020; Übersetzung ins Deutsche durch Atlantisforschung.de)
  2. Quelle: Heinz-Günther Nesselrath, "Die Säulen des Herakles - eine mythische Landmarke und ihre Bedeutung in der Klassischen Antike", in: Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 2008, 2009, S. 226-232 (online als PDF-Datei, 88,81 KB; abgerufen: 10. Juni 2020)

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