Prof. Shakti M. Gupta und die altindischen Maiskolben

von J. Huston McCulloch

Die Indologin und Ethnobotanikerin Shakti M. Gupta von der Delhi University belegt die Präsenz von Mais und wenigstens fünf anderer Pflanzen aus der Neuen Welt auf präkolumbischen Tempel-Skulpturen in Indien in ihrem [...] Buch, Plants in Indian Temple Art (B.R. Publishing Corp, Delhi, 1996. ISBN 81-7018-883-0). Von Mais in verschiedenen Hoysala-Tempeln war zuvor schon von Carl Johannessen und Anne Z. Parker ("Maize Ears Sculptured in 12th and 13th Century AD India as Indicators of Pre-Columbian Diffusion," Economic Botany Nr. 43, 1989, Seiten 164-180). [...]

Abb. 1 Maiskolben in der Hand der Götter. Importierten die alten Inder diese Nutzpflanze aus Mexiko?

Lautstarke Kritiker von Johannessen und Parker haben argumentiert, dass ihr mangelndes Verständnis der Kompliziertheit von Hindu-Ikonographie sie an der Erkenntnis hindere, dass das, was auf diesen Skulpturen abgebildet wäre, tatsächlich kein Mais, sondern eher etwas anderes sei - wahlweise muktaphala (lit. "Perlenfrucht", eine imaginäre Frucht, bestehend aus Perlen), irgendeine exotische Tropenfrucht, oder auch, in einem Fall, der Kalpavrksha, ein mythischer Baum, der Wünsche erfüllte (!).

Guptas frühere Bücher, darunter Plant Myths and Traditions in India (1971), Vishnu and His Incarnations (1974), Legends around Shiva (1979), und Festivals, Fairs, and Fasts of India (1990), etablieren sie als eine Autorität in indischer Mythologie und, im besonderen, der Rolle von Pflanzen in der indischen Mythologie. Jetzt hat sie einen endgüligen Text dazu vorgestellt, in dem sie etwa 70 Pflanzenarten identifiziert, die in der Hindu-, Jaina-, und buddhistischen Tempelkunst in Indien abgebildet sind. Prof. Gupta schreibt:

"Verschiedene Formen des Maiskolbens [Zea mays Linn.] sind ausführlich dargestellt, aber nur in den Hindu- und Jaina-Tempeln von Karnataka. Verschiedene Gottheiten werden, wie im Chenna Kesava temple, Belur, mit einem Maiskolben in der Hand dargestellt. Die geraden Reihen der Kornähren können leicht identifiziert werden. Im Lakshmi Narasimha Tempel, Nugge-halli, hält der acht-armige tanzende Vishnu in seiner weiblichen Form der Mohini einen Maiskolben in einer seiner linken Hände und die anderen Hände halten die üblichen Embleme des Vishnu. .... In Trikuta basti, Mukhamandapa, Sravanbelgola, Karnataka, hält eine Skulptur der Ambika Kushmandini aus dem 12. Jahrhundert n. Chr., die auf einem Lotus-Sitz unter einem Baldachin von Mangos thront, in ihrer linken Hand einen Maiskolben. Tafel 223, die eine Nayika abbildet, welche einen Maiskolben in ihrer linken Hand hält, ist aus Nuggehalli, Karnataka."

Abb. 2 Auch die Sonnenblume (Helianthus annuus Linn.) taucht in Darstellungen indischer Tempelkunst auf.

Tempel, in denen die Skulpturen von Kolben gefunden wurden, werden auf das 12. bis 13. Jahrhundert n. Chr. datiert. Man glaubt dort allgemein (!), dass der Mais aus Mexiko stamme und im 11. - 12. Jahrhundert nach Indien kam. Zu der Zeit als diese Tempel gebaut wurden, wäre Mais in Indien ganz gewöhnlich gewesen. (S. 176).

Gupta hört nicht beim Mais auf, sondern fährt fort und identifiziert in der prä-kolumbischen Tempelkunst Sonnenblume (Abb. 2), Ananas, Cashew, Schuppenapfel und Monstera, alles Spezies aus der Neuen Welt. Sie findet Sonnenblumen (Helianthus annuus Linn.), aus Zentral- and Süd-Amerika stammend, in der Rani Gumpha Grotte, Udaigiri, aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. (S. 30). Johannessen erwähnt, unabhängig davon, die Sonnenblume in seinem Artikel "Pre-Columbian American Sunflower and Maize Images in Indian Temples: Evidence of Contact between Civilizations in India and America" (in Davis Bitton, ed., Mormons, Scripture and the Ancient World: Studies in Honor of John L. Sorenson, FARMS, Provo UT, 1998).

Ananas (Ananas cosmosus [Linn.] Merrill), eine in Brasilien einheimische Pflanze, ist, Gupta folgend, "deutlich abgebildet" im Höhlentempel von Udayagiri, Madhya Pradesh, etwa 5. Jahrhundert n. Chr. (S. 18). Cashew (Anacardium occidentale Linn.), in Brasilien beheimatet, ist abgebildet auf einem Stupa-Balustradenrelief aus Bharhut, circa 2. Jahrhundert v. Chr. (S. 17). Gupta findet Schuppenapfel (Annona Squamosa Linn.) abgebildet in Bharhut, circa 2. Jahrhundert v. Chr., und in Kakatiya, Karnataka, 12. Jahrhundert n. Chr. (Seiten 19-20). Nach der Encyclopaedia Britannica, ist diese Pflanze in den Tropen der Neuen Welt und in Florida heimisch. Und Monstera (Monstera deliciosa Liebm.) schließlich, auch bekannt als Fensterblatt-Philodendron, eine große, immergrüne Kletterpflanze, beheimatet in Zentral-Amerika, erscheint vom 11. bis 13. Jahrhundert in Hindu- und Jaina-Tempeln in Gujarat und Rajastan (Seiten 108-9).

Gupta folgend, wird der Chili-Pfeffer (Capsicum annuum Linn.) in den Siva- und Varmana-Puranas, ca. 6. bis 8. Jahrhundert n. Chr. erwähnt. Unglücklicherweise macht sie keine Seitenangaben und gibt keine Hinweise auf die Bezeichnung, die dort dafür benutzt wird; und die einzige Tempel-Gravur, die sie davon gefunden hat, datiert aus dem 17. Jahrhundert n. Chr. Diese sehr wichtige Pflanze, die in Mexiko und Latein-Amerika einheimisch ist, bedarf weiterer Untersuchungen.

Abb. 3 Eine weitere Maiskolben-Darstellung in einem indischen Tempel.

Der Naga-Lingham, the Blüte des südamerikanischen und westindischen Kanonenkugel-Baums (Couroupita guaianensis Aubl.), wurde nach Gupta "in sehr frühen Zeiten in Indien kultiviert." Innerhalb ihres Zeitrahmens würde dies bedeuten: In sehr frühen prä-kolumbischen Zeiten. Sie hält fest, dass er in mehreren Tempeln mit der Anbetung Shivas zu tun hatte. Trotzdem datiert die einzige Skulptur, die sie zeigt, aus dem 17. Jahrhundert n. Chr. Auch diese Pflanze ist weiterer Forschungen wert.

Guptas Buch enthält eine Fülle von Evidenzen für prä-kolumbische Kontakte zwischen der Neuen Welt und der Alten, obwohl sie an deren Möglichkeit nicht einmal am Rande interessiert, oder sich dieser Option bewusst ist. Wiederholt weist sie Berichte zurück, dass diese-und-jene Pflanze durch die Portugiesen im 16. Jahrhundert eingeführt worden sei, aber in ihrer Schlussfolgerung regt sie an, dass Pflanzen wie die Ananas und der Schuppenapfel möglicherweise "in Indien heimisch waren". Trotz des "allgemeinen Glaubens" (...), dass Mais schon vor der Errichtung der Hoysala-Tempel von Mexiko nach Indien gebracht worden war, berichtet sie, dass "man ebenso annimmt, Mais habe einen indischen Ursprung..." Nach meinem Dafürhalten ist das botanisch unmöglich, obgleich es durchaus vorstellbar ist, dass es auf dem Subkontinent mehrere Jahrhunderte vor der Hoysala-Dynastie Mais gab, und dass verschiedentlich asiatische Formen entwickelt wurden.

Trotz Guptas Bestätigung von Mais auf den Hoysala-Skulpturen, die Johannessen und Parker besprechen, argumentiert sie, dass die ähnlichen, aber etwas gedrungenere Objekte, die auf früheren Skulpturen auftauchen, keinen Mais darstellen, sondern eher Zitrone (Citrus medica var. Limonum of Watt.) oder Limone (Citrus limon [Linn.]), beides Alte-Welt-Pflanzen (S. 53). Möglicherweise ist dem so, aber es ist bemerkenswert, dass die "Zitrone" in der Hand eines Yaksha auf einer Skulptur aus dem 8. Jahrhundert n. Chr. aus Aihole, von der sie spricht, Körner in maisartigen Reihen aufweist. Eine Zitrone sieht aus wie eine große Limone mit einer tief gerunzelten Haut, aber die Runzeln sind unregelmäßig und ähneln nicht Maiskörnern, wie auf ihrer sehr deutlichen Fotografie.

Unglücklicherweise erwähnt Gupta weder Johannessen und Parker oder ihre Vorgänger, noch die lebhafte Debatte, die um die "Maiskolben" stattfindet. Auch die "muktaphala," oder "Perlen-Frucht", erwähnt sie nicht, jene Sanskrit-Bezeichnung, von der es heißt, dass sie mit diesen Objekten in Zusammenhang stehe. Mein eigener Verdacht ist, das dies im übrigen ein Name war, der für Mais verwendet wurde.

Guptas Buch ist in den Vereinigten Staaten kaum zu finden. Ich musste es speziell von den Ohio State University libraries bestellen lassen, und derzeit gibt es im gesamten Ohiolink University Library consortium nur zwei Exemplare davon. Mit $110 ist es etwas teuer, aber es ist informativ, attraktiv und gut gemacht. Die Fotos sind gut, aber fast alle in schwarz/weiß. Alle Illustrationen sind gut kommentiert.


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von J. Huston McCulloch © erschien unter dem Titel Indologist Confirms Maize in Ancient Sculptures erstmals im Midwest Epigraphic Journal (http://www.iwaynet.net/~wdc/meshome.htm), Ausgabe 12/13, 1998-99, Seiten 43-44. (Eine frühere Version erschien 1998 in der Newsgroup sci.archaeology.) Ins Deutsche übersetzt wurde er von Atlantisforschung.de nach: http://www.econ.ohio-state.edu/jhm/arch/maize.html


Bild-Quellen

(1) http://darkwing.uoregon.edu/~carljohann/maize13.JPG

(2) http://darkwing.uoregon.edu/~carljohann/Sunflower.jpg

(3) http://darkwing.uoregon.edu/~carljohann/maize1.JPG

(alle nicht mehr online)