Seefahrt und Atlantis

von Tony O’Connell

Abb. 1 Fels-Ritzzeichnung eines Segelschiffs aus dem Neolithikum (Nagade-Kultur) an der Mittelmeerküste Nordafrikas. Seefahrt ist offenbar eine weitaus ältere kulturelle Errungenschaft als allgemein angenommen. Die Atlantier verfügten zwar nicht über Triremen, wie Platon behauptete, mögen aber ähnliche Wasserfahrzeuge wie dieses genutzt haben. (Foto: © Dr. Dominique Görlitz)

Seefahrt und Atlantis sind untrennbar miteinander verbunden. Der Dialog Kritias (117d) bezieht sich anachronistisch darauf, dass die Werften von Atlantis voller Triremen gewesen seien, die aber erst im 7. Jahrhundert v. Chr., also lange nach dem Untergang von Atlantis, entwickelt wurden. Der Begriff „Trireme“ wurde jedoch wahrscheinlich von Plato verwendet, um seine Erzählung für sein Publikum relevanter zu machen. Er schreibt der atlantischen Marine 1200 Schiffe zu, was wie eine abgerundete Anleihe bei den Angaben zur Größe der Achaier-Flotte (1186) in Homers Ilias oder bei jener der persischen Invasoren (1207) erscheint.

Selten erwähnt, aber vielleicht noch interessanter ist eine vorausgehende Textstelle im Kritias (113e), der in Bezug auf die Ursprünge von Atlantis lautet: "Zu dieser Zeit gab es weder das Segeln noch Schiffe". [1] Wir erhalten jedoch nur wenige Informationen, um die Zeit bis zu seiner Entwicklung als bedeutende Handels-Instanz zu überbrücken. Man kann von einer Lücke von mehreren tausend Jahren ausgehen.

Jüngste Studien [2] legen nahe, dass primitive Seefahrt im Mittelmeer Tausende von Jahren früher stattfand als ursprünglich angenommen und möglicherweise sogar von Homo erectus und Neandertalern in Form von Inselhüpfen und Küstenumarmungen [3] betrieben wurde, wobei letztere bis in die historische Zeit andauerten. [4]

Plato beschreibt eine fortschrittliche Seehandelsnation mit einer mächtigen Seekapazität. Inwieweit ein Teil der ursprünglichen Geschichte von Solon aus Ägypten stammt oder ob sie in irgendeiner Weise von Plato verschönert wurde, ist unklar. Das früheste bekannte Handelsimperium ist das der Minoer, welches im 3. Jahrtausend v. Chr. begann und dazu geführt hat, dass viele sie mit den Atlantiern identifizierten. Es gibt jedoch sehr viele andere Details in Platos Erzählung, die dieser Hypothese ernsthaft widersprechen.


Anmerkungen und Quellen

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Dieser Beitrag von Tony O’Connell (©) wurde seiner atlantologischen Online-Enzyklopädie Atlantipedia.ie entnommen, wo er am 08. Oktober 2013 unter dem Titel "Seafaring and Atlantis" erstveröffenlicht und nachfolgend weiter ausgebaut wurde ist. Übersetzung ins Deutsche und redaktionelle Bearbeitung nach dem Stand vom 12. Dezember 2019 durch Atlantisforschung.de.

Fußnoten:

  1. Red Anmerkung: Ob diese Aussage Platons inhaltlich den historischen bzw. prähistorischen Tatsachen entspricht, ist allerdings anzuzweifeln!
  2. Siehe: Charles Choi (LiveScience Contributor), LiveScience.com (15. November 2012), "Ancient Mariners: Did Neanderthals Sail to Mediterranean?", online bei: Yahoo! news (abgerufen: 12. Dezember 2019)
  3. Red. Anmerkung: In Fall des Homo erectus war es mit 'Inselhüpfen' im Mittelmeer-Raum wohl nicht getan. Siehe dazu bei Atlantisforschung.de: Michael Brandt, "Homo erectus - ein Seefahrer - Wie die Evolutionstheorie zur Mißachtung von Daten führen kann"
  4. Red. Anmerkung: Von noch größerer Relevanz bezüglich der Beschäftigung mit dem Atlantis-Problem dürften neue Erkenntnisse aus den Bereichen der Vegetations-Geographie bzw. Geobotanik und der experimentellen Archäologie sein, die anhand der frühen anthropochoren Verbreitung von Kulturpflanzen über Ozeane hinweg zeigen, dass der Homo sapiens bereits im Jungpaläolithikum eine entwickelte Form der Seefahrt betrieben haben muss. Siehe: Dominique Görlitz, "Prähistorische Ausbreitungsmechanismen transatlantisch verbreiteter Kulturpflanzen" (Dissertation), Gotha, 2012, Hardcover (Format: 29,7 x 21,0 cm), 116 Seiten, reichhaltig illustratriert; ISBN 978-3-93918-246-7

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