Der 'Kosmische Kinnhaken' - Einleitung

von Dr. Dr. rer. nat. B. Ellmann

Abb. 1 Reliefkarte der Erdoberfläche

Mit Hilfe von Radarsatelliten wurde das gesamte Relief der Erdoberfläche und des Meeresbodens abgebildet (Abb. 1). Durch die Messungen von ERS-1 und Topex/Poseidon wurden die relativen Meeresspiegelhöhen und deren Veränderungen bestimmt. Nach der Fertigstellung dieser Bilder zeigten sich mehrere Auffälligkeiten. So wurden relative Meeresspiegelerhöhungen von bis zu 10 cm/Jahr im nördlichen Indischen Ozean, mit Sri Lanka im Zentrum, festgestellt. Dort liegt das Meeresspiegelniveau aber immer noch bis zu 105 m unter NN (Abb. 3a).

Über dieser Region, d.h. über nahezu dem gesamten Boden des Indischen Ozeans lassen sich als weitere Auffälligkeit strahlenförmige "Kratzspuren" vom Antarktissockel bis in die Bengalische Bucht verfolgen. Dieses fächerförmige Strahlenmuster von exakter Geradlinigkeit konvergiert nach Norden hin und verläuft unter einem Winkel von etwa 20° Abweichung von der Erdachse nach NO (Abb. 1 und Abb. 2).

Jede dieser Auffälligkeiten stellt auch als alleiniger Befund einen Beweis für eine große Gewalteinwirkung dar. Die relative Höhe des Meeresspiegels wird durch die Höhe N des Geoids zum Referenzellipsoid bestimmt. Sie steht in direktem Zusammenhang mit den Anomalien den Schwerefeldes. D.h., je größer die Masse in einer Region im oder unter dem Erdmantel ist, desto niedriger ist dort der relative Meeresspiegel. Das Gravitationsfeld im Bereich der Südspitze Indiens ist somit meßbar stärker als in benachbarten Regionen (Abb. 3b). Gleichzeitig ist aber auch genau über diesem Gebiet der jährliche relative Anstieg des Meeresspiegels am höchsten. Das bedeutet, daß die Massenkonzentration unterhalb der abgebildeten Fläche (Abb. 3a) immer noch relativ erhöht ist, aber auch eine große Rückbildung zeigt.

Abb. 2 "Kratzspuren" im Bereich des Indischen Ozeans

Der spezifisch schwerere Eisenkern der Erde bewegt sich insgesamt oder zumindest in Teilen infolge der Trägheit in Richtung Erdmantel, wenn dieser dort von außen angestoßen wird. Eine sehr große Kraft ist erforderlich, um diesen Effekt in einem meßbaren Umfang auszulösen. Der gegenläufige Effekt muß auf der gegenüberliegenden Seite der Erdkugel beobachtet werden können. Genau das ist der Fall (Abb. 3b und Abb. 4).

Ein großer kosmischer Körper ist mit der Erde kollidiert und hat den Erdmantel im Bereich des Indischen Ozeans kurzzeitig bis zu einer Tiefe von mehreren hundert Kilometern Tiefe aufgerissen. Daraus ergibt sich eine zweite Erklärung für das stark erhöhte Gravitationsfeld im Bereich des Indischen Ozeans. Die vom kollidierten Körper ausgehobene Magma-Rinne im Erdmantel füllte sich durch Zustrom von Magma bis zum vollständigen Niveauausgleich der Erdkruste. Der Hauptzustrom erfolgte von den unteren, beweglicheren Magmaschichten.

Das Aufsteigen von tieferen, spezifisch schwereren Magmaschichten bis in den äußeren Mantelbereich erklärt die nachgewiesene Gravitationsfeldverstärkung in dieser Region. Die Magmaverschiebung konnte auch nach Erstarren des neugebildeten Ozeanbodens andauern und weitere Verlagerungen von spezifisch schwereren Zonen zum äußeren Erdmantel in Richtung Indischer Ozean bewirken.

Abb. 3a (Quelle GFZ)

Bei Mitbeteiligung kernnaher Zonen auf der gegenüberliegenden Seite des Erdkernes sind danach entweder eine Auffüllung des kernnahen Bereiches mit spezifisch leichterem Mantelmaterial von "oben", eine Verschiebung des gesamten Kernes, oder beide Vorgänge gleichzeitig denkbar. In der Tat liegt der Erdkern exzentrisch, wenn man von einer annähernd symmetrischen Massenverteilung und einer durch beide Magnetpole gehenden zentralen Achse ausgeht. Die Kernverschiebung bzw. das Auffüllen tieferer Mantelschichten auf der Gegenseite der Kollision mit spezifisch leichterem Material des oberen Mantels sollten daher am deutlichsten im Bereich des Pazifik zwischen Hawaii und den Marshall-Inseln zu beobachten sein.

Daß der Erdmantel zerstört und die Erde kurzzeitig bis in große Tiefen aufgerissen wurde, wird zur Gewißheit, wenn man sich die Oberfläche des Meeresbodens im Indischen Ozean anschaut. Über mehr als 8.000 km lassen sich exakt geradlinige, leicht konvergierende "Kratzspuren" am Meeresboden erkennen. Dieses Schleifmuster überdeckt in der Fläche fast 2/3 des gesamten Ozean-Bodens und läßt sich mit den dortigen Meeresspiegelabnormalitäten zur Deckung bringen. Noch weitere Details lassen sich aus Abbildung 1 entnehmen.

Abb. 3b Regionale Meeresspiegeländerungen

Der Mindestdurchmesser des vermuteten Kollisionspartners betrug danach 4200 km, gemessen zwischen der Ostküste von Madagaskar und der westlichen Abbruchkante des "Broken-Ridge-Plateaus" im Indischen Ozean westlich von Australien (Abb. 1). Auch ein Durchmesser von 5.000 km kann noch mit den erkennbaren Spuren vereinbart worden.

Der Erstkontakt mit dem Himmelskörper erfolgte oberhalb des Antarktissockels. Die Kontaktlösung in Äquatornähe. Die Aufprallwinkel und Richtungen der kollidierenden Himmelskörper sind größenordnungsmäßig in den Abb. 5a bis 5h dargestellt. Die Flugbahn verlief in Süd-Nordrichtung. Bei einer um 90° nach Osten verschobenen Blickrichtung erkennt man eine von der Erdachse nur wenig wegweisende Flugrichtung des Kollisionspartners. Die Erdachse stand vor der Kollision fast senkrecht.

Die hinterlassenen Schleifspuren zeigen, bedingt durch die Eigenbewegung der Erde, nach NO. Die Bahngeschwindigkeit der Erde beträgt fast 30 km/s, das sind etwa 108.000 km/h. Bei einem achsenparallelen Kontakt und mit ebenfalls 108.000 km/h müßte die Schleifspur einen Winkel von 45° zur Erdachse nach NO aufweisen. Aus dem Verformungsmuster des Erdmantels vermute ich ein 'Nacheilen' des Kollisionspartners (Abb. 5a, Abb. 5b) und eine wesentlich höhere Geschwindigkeit als die Bahngeschwindigkeit der Erde. Realistisch sind Geschwindigkeiten in der Größenordnung von 200.000 km/h, insbesondere, wenn man für diesen Himmelskörper eine elliptische Umlaufbahn um die Sonne annimmt.

Abb. 4 Die Erde als Geoid, berechnet aus Schwerefeldanomalien, Verstärkungsfaktor 15000. Schwerefeld deutlich verstärkt über den Indischen Ozean, und deutlich vermindert über den Pazifik.

Der Körper hat sich dann in oder in der Nähe des Perihels, d.h. im sonnennahen Umkehrpunkt befunden. Die Kontaktzeit lag, abhängig von der Geschwindigkeit, zwischen 3 und 5 Minuten. Bei einem Wechsel des Kollisionsorts von innerhalb zu außerhalb des Erdbahnradius müssen die Abb. 5a bis 5h um 180° gedreht werden. Kontaktzeit, Kollisionswinkel, Geschwindigkeit, Masse, Bahnablenkungen beider Kollisionspartner und der erforderliche Impuls für eine komplette Kippung der Erdkugel lassen sich mit Hilfe von Computern genauer berechnen. Bei Variation der o.a. Größenordnungen lassen sie sich eng eingrenzen. Historische Dokumente für eine komplette Kippung der Erdachse sind bekannt.

Wie sehen die Folgen dieser kosmischen Katastrophe aus? Ich glaube, man darf diese Formulierung mit Recht wählen. Die Erde erhielt einen fast tödlichen "kosmischen Kinnhaken". Die Erdachse wurde massiv gekippt und begann zu präzessieren. Durch die Kippung der Erdachse entstanden die Jahreszeiten. Die Umlaufbahn der Erde veränderte sich. Die Umdrehungsgeschwindigkeit wurde vermutlich geringfügig erhöht.

Die Folgen der Kollision lassen sich kaum in Worte fassen. Fast der gesamte Indische Ozean wurde in den wenigen Minuten des Kollisionskontaktes geleert. In 20 Sekunden war die Ostküste von Madagaskar "begradigt" und die parallel zur Küste verlaufende Gebirgskette aufgeschüttet. Eine ca. 1.000 km tiefe (anhand des gemessenen Mindestdurchmessers und der Abscherwinkel an der Ostküste Madagaskars sowie des Broken-Ridge-Plateaus muß eine Eintauchtiefe zwischen 1.000 km und 1.500 km angenommen werden), fast 5.000 km breite und 8.000 km lange Furche wurde mit einer Geschwindigkeit von bis zu 200.000 km/h ausgepflügt. Gewaltige Druckwellen liefen auch über die Erdoberfläche. Vermutlich kilometerhohe Flutwellen bewegten sich gegenläufig um die Erde.


Fortsetzung:

Teil 2: Plattentektonik und Gebirgsbildung