Die 'Brunnen der Tiefe': Die Hydroplatten-Theorie des christlichen Katastrophismus und Kreationismus

"Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide zwischen den Wassern. Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah so. Und Gott nannte die Feste Himmel..." (Ps 19,2; 136,6; 148,4)

(bb) In der allgemeinen Wahrnehmung der anhaltenden Auseinandersetzung zwischen christlichem und schulwissenschaftlichem Fundamentalismus steht seit langem die Kontroverse bezüglich Entstehung und Entwicklung der Menschen- und Tierwelt im Zentrum: Kreationismus versus Darwinismus. Weniger prominent ist der geologische Disput, bei dem, oberflächlich betrachtet, ein christlicher "Katastrophismus" gegen den aktualistischen Lyellismus anzutreten scheint.

Abb. 1 Links: Die Erde vor der Sintflut, verhüllt von einem Wasserdampf-Baldachins. Mitte u. rechts: Der Beginn der Sintflut-Katastrophe wird durch aus dem Erdinnern schießende Wasserfontänen und den Zusammenbruch des erdumspannenden Wasserdampf-Baldachins charakterisiert, dessen Masse in ungeheuren Sturzregen-Fällen niedergeht. (Bilder aus: The World That Perished)

Im folgenden Beitrag soll ein wesentliches Axiom dieses christlichen "Katastrophismus" vorgestellt werden: Die Hydroplatten-Theorie [1]. Entstanden ist diese Theorie - wie auch die Vorstellung eines weltumspannenden 'Baldachins' aus kleinsten, vereisten Wasser-Tröpfchen - aus dem Bedürfnis zahlreicher Anhänger der christlichen Religion heraus, eine alternativ-naturwissenschaftliche Erklärung der Erd- und Menschheitsgeschichte zu entwickeln, die im Gegensatz zur herrschenden Lehrmeinung der Fachwissenschaftler eine wörtliche Auslegung des Alten Testaments ermöglicht.

Rüdiger Heinzerling schreibt zur Erklärung dieser Ideologie: "Kreationismus ist die Lehre, daß die biblische Urgeschichte (Gen.1-11) sowie insbesondere die darin gegebene Beschreibung der Erschaffung der Welt im wesentlichen wörtlich zu nehmen sei. Der Bibeltext wird so verstanden und wörtlich akzeptiert, daß die Welt vor ca. 10.000 Jahren aus dem Nichts geschaffen wurde." (siehe: Impaktszenario sprengt Kurzzeitmodell des biblischen Kreationismus) Gemäßigtere Kreationisten bevorzugen "den Glauben an die Erschaffung des (biologischen) Lebens in einer bereits vorhandenen Welt vor ca. 10.000 Jahren, wobei die unbelebte Welt bereits erheblich länger bestanden haben soll." [2]

Aus Sicht (gemäßigter) Kreationisten gibt es also drei unterscheidbare Phasen der Erdgeschichte: Die Millionen oder Milliarden Jahre währende Phase der sterilen - und geologisch weitgehend inaktiven Erde, die quasi einen 'Rohling' bildete, der sich mit dem Ende der Schöpfung vor zehn Jahrtausenden in die belebte, prädiluviale Welt der zweiten Phase verwandelt hat. Dieses 'Zeitalter der Riesen' endete nach etwa 5000 Jahren mit der Sintflut. Von entscheidender Wichtigkeit ist dabei, dass sich Umwelt und Lebensverhältnisse der prä- und postdiluvialen Welt stark voneinander unterschieden haben sollen.

Das Wasser gelangte als lebensnotwendiges Element während des Schöpfungs-Prozesses in großen Mengen zur Erde: "Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an besondere Orte, daß man das Trockene sehe. Und es geschah so. Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, daß es gut war". (Hiob 38,8-11; Ps 24,2; 2. Petr 3,5) Die oberhalb des neu entstandenen, irdischen Lebensraumes befindlichen Wassermassen schirmten nun die Erde nach außen ab und bestimmte das globale Klima: "Der Planet war von einem Wasserdampf-Baldachin (Abb. 1, links) umschlossen (Genesis 1:6-8), ähnlich wie der der Venus und des Jupiter.

Abb. 2 Nach Ansicht christlicher Katastrophisten war ein enormer Teil der prädiluvialen Erdoberfläche trockenes Land. Ein Großteil des vorhandenen Wassers war in der äußeren Wasser-Schale sowie in einer unterirdischen Hydro-Schicht gebunden. Unter dem zunehmenden Druck dieses Wassers platzte die darüber liegende Erdkruste auf - es bildete sich ein ständig länger und tiefer werdender Riss.

Dieser Baldachin bewirkte", wie es auf einer kreationistischen Webseite heißt, "eine gleichmäßige Temperatur auf dem gesamten Globus. Da das Klima sehr stabil war, gab es noch keine meteorologischen Störungen, wie Regen, Höhen-Winde, Gewitter, Schnee oder Hagel (keine Niederschläge). Dies steht in Übereinstimmung mit dem biblischen Schöpfungs-Bericht: vor der Sintflut gab es noch keinen irgendwie gearteten Niederschlag; daher hatte auch noch niemand Regen oder auch einen Regenbogen zu sehen bekommen. (Genesis 2:4-10) Dies erklärt zudem, warum tropische Flora und Fauna unter dem Eis der Nord- und Südpole begraben liegt, was belegt, dass in diesen Regionen vor unbestimmter Zeit noch ein anderes Klima herrschte." [3]

Ein Teil des Wassers, das - von außen? - zur Erde gelangt war, schien jedoch an die Oberfläche hinab gelangt zu sein, wo es sich der Schwerkraft folgend verteilte: "Die Bibel sagt, dass Gott das Wasser an einem Ort zusammenströmen ließ, sodass trockenes Land erschien. (Genesis 1:9-10) Es gab nur kleine Berge und Täler auf der Oberfläche der prädiluvialen Erde." [4] Die flachen "Urozeane und Seen" müssen zunächst weitaus kleiner als heute gewesen sein, wenn wir das kreationistische Szenario konsequent zu Ende denken, denn ein Großteil des vorhandenen Wassers war ja noch in dem erdumspannenden Baldachin gebunden (vergl. zu massiven Pegelveränderungen der Ozeane auch: Der geologische Streit um den versunkenen "Kleinkontinent" im Atlantik). Ein weiterer Großteil der Gesamt-Menge war jedoch - so interpretieren Kreationisten die Bibel - im Erdinneren gespeichert, in einer durchgängigen "Wasserplatte" (Abb. 2) die sich zwischen zwei massiven Gesteins-Schichten über dem glutflüssigen Erdinneren befunden haben soll.

Abb. 3 Am schwächsten Punkt dieser "Sollbruch-Stelle" bricht das unter gewaltigem Druck stehende Wasser der Hydro-Schicht zur Oberfläche durch, und eine gigantische Wassersäule schießt bis in die obersten Schichten der Atmosphäre empor.

Mit Hilfe der aus dieser Grundvorstellung eines 'Tiefenwassers' entwickelten 'Hydroplatten-Theorie' [...], welche das Auftreten von Erdbeben und anderen derzeitigen geologischen Aktivitäten erklärt", wird auch eine Erklärung für die Entstehung der markanten geographischen und topographischen Formationen angeboten, die im Verlauf der Sintflut entstanden sein sollen: "Berge und die gesamte Topographie, die wir heute an der Erdoberfläche sehen, auch die differenzierte Topographie am Grund der Ozeane. Dem Katastrophismus zufolge lassen sich die derzeitige Geographie, Geologie, Topographie und Meteorologie mit größeren und rapiden Veränderungen erklären, welche die Erde in Mitleidenschaft zogen. Die vorsintflutliche Erde war ein Ort, der sich stark von der heutigen Erde unterschied. Wenn Sie den Text der Genesis sorgfältig studieren, werden Sie in der Lage sein, dies zu verifizieren." [5]

Halten wir zunächst kurz fest, dass sich - aus wissenschaftlicher und grenzwissenschaftlicher Sicht - auf der Basis einer mythologischen Überlieferung wie der Genesis natürlich keine erdgeschichtliche Hypothese verifizieren lässt, sofern dieser Überlieferung nicht - wie bei den Kreationisten - der Charakter eines Gesetzestextes zugesprochen wird. Darüber hinaus werden die unterschiedlichen Grundvorstellungen von christlichem und (grenz-) wissenschaftlichem Katastrophismus deutlich, wenn es heißt: "Die prädiluviale Erde war zudem in dieser Form sehr stabil. Es gab keine meteorologischen Schemata, welche die Topographie in Unordnung bringen konnten. Die Bibel lehrt, dass die kataklysmischen Ereignisse begannen, als Gott die Verdorbenheit unter den Menschen auf der Erde bemerkte. Nur Noah wurde verschont, weil er ein demütiger, folgsamer Mann war." [6]

Abb. 4 Das in den Jet-Fontänen in die oberen Schichten der Atmosphäre gelangte Wasser gefriert schnell und schneit in ungeheuren Massen vorzugsweise auf die zuvor "wohltemperierten" Polarzonen ab, die in kürzester Zeit vereisen und von einer tödlichen Schnee-Decke überzogen werden.

Erstaunlicherweise ähnelt das Weltbild der modernen Bibel-Katastrophisten weit mehr demjenigen der lyellistischen Mainstream-Geologie, als man zunächst denken sollte. Für beide sind Kataklysmen absolut außergewöhnliche, ja einzigartige Ereignisse. Während Neo-Katastrophisten die Erd-und Menschheitsgeschichte als Abfolge gewaltiger Katastrophen mit dazwischen liegenden 'Ruhepausen' begreifen, sind Bibel-Katastrophisten und Aktualisten in bestem Einvernehmen, wenn es um die Feststellung geht, dass lediglich "meteorologische Schemata" für eine üblicherweise schleichend verlaufende Erosion der Erdoberfläche verantwortlich seien. [7] Sowohl im Weltbild der Kreationisten als auch in dem der Lyellisten hat lediglich eine große Erdkatastrophe einen prägenden Eindruck hinterlassen: Hier die Sintflut, dort der Endkreide-Impakt...

Wie sah nun der Startschuss zu den dramatischen Sintflut-Ereignissen aus kreationistischer Sicht aus? Während bis ins 19. Jahrhundert hinein noch eine gewaltige schwarze, am Horizont herandräuende, Sturmwolke die christliche Vorstellung vom Beginn der Sintflut charakterisiert hatte, erfolgte der nach Meinung heutiger Kreationisten tatsächlich mit einem gewaltigen Knall. Dieser Knall, der die Geräuschentwicklung einer großen vulkanischen Explosion leicht übertroffen haben könnte, war ihrer Meinung nach das Ergebnis eines Durchbruchs des 'Tiefenwassers' zur Erdoberfläche: "Die große Belastung aufgrund eines gestiegenen Wasserdrucks bewirkte an einer bestimmten Stelle einen Bruch der Kruste. (Abb.3)

Der Riss weitete sich entlang eines Pfades des geringsten Widerstands aus, bis er um den gesamten Planeten herum verlief. Die "Fontänen der Tiefe" brachen aufgrund des enormen Drucks unter der Kruste mit Überschall-Geschwindigkeit hervor. Die Wasser-Jets schossen aus dem Riss bis zu 100 oder 200 Meilen hoch über die Erdoberfläche empor." Könnte dies die Ursache für den Zusammenbruch des vermuteten Wasser- bzw. Eiskristall-Baldachins um die Erde gewesen sein? Auch unsere kreationistische Quelle legt Wert auf die Koinzidenz beider Phänomene: "Die Bibel sagt zudem, dass Gott machte, dass all die 'Brunnen [Fontänen] der Tiefe' und die Schleusen des Himmels sich an einem einzigen Tage auftaten (Genesis 7:11). Diese Erklärung macht wirklich Sinn, wenn wir die "Brunnen der Tiefe" als treibende Haupt-Kraft hinter der Hydroplatten-Theorie erkennen." [8]

Abb. 5 Mit den aus der Hydro-Schicht heraus strömenden Wassermassen wurden ungeheure Massen an Sediment gelöst, ausgewaschen und über den zerbrechenden Urkontinent verteilt, auf dem nun auch die Ozeane entstehen.

Zu den ungeheuren Eiskristall-Mengen im Baldachin kamen nun die bis fast ins All hinaufstoßenden Protuberanzen aus empor geschleudertem 'Tiefenwasser': "Da das Wasser so hoch in die Atmosphäre emporschoss, kristallisierte es rapide und wurde aufgrund seiner polarisierten Molekular-Struktur von den Erd-Polen angezogen. (Abb. 4) Der rapide gefrorene Niederschlag [...] wurde für Pflanzen und Tiere zur Falle, die sie in Eis eingeschlossen zurück ließ. Dies erklärt, warum tropische Flora und Fauna im Eis eingeschlossen gefunden wurde und warum unsere Polar-Kappen so groß sind. Als das Wasser fortfuhr aus dem Krustenbruch zu strömen, erodierte es den Riss und verteilte große Mengen von Sediment. (Abb. 5)

Weiter heißt es: "Dieses Sediment wurde von den Wassern verteilt und bedeckte Pflanzen und Tiere, wobei es sie einschloss und viele Formen konservierte. Dies erklärt die enormen Fossil-Spuren überall auf der Erde, die alle Arten von Pflanzen und Tieren aufweisen, einige davon in einem 'überraschten' Status. Da der Wasserdruck so groß war, hob er die darüber liegende Erde, und bewirkte die Bildung eines Grates gleich unterhalb der Bruch-Linie. Dieser unterirdische Rücken bewirkte, mit abnehmendem Druck des Wasser-Stroms, einen Druck auf die Hydro-Platten. Die Hydro-Platten, oder tektonischen Platten, begannen auseinanderzugleiten (Abb. 6), wobei sie Geschwindigkeiten bis zu 45 Meilen pro Stunde erreichten." [9]

In diesem Vorgang sehen christliche "Katastrophisten" auch die Ursache einer rezenten und schnell verlaufenden Gebirgsbildung: "Als die Platten miteinander kollidierten, verzogen sie sich. Die Zonen, die nach oben gedrückt wurden, nennen wir >Bergketten<. Die nach unten gedrückten bezeichnen wir als >Täler<. Daher liegen die Bergketten parallel zu den ozeanischen Graten, von wo sie weggerutscht sind. Als diese neuen Täler geformt wurden, entstand Raum für all das Wasser, das aus dem Erdinneren hervorquoll. Der frei werdende Raum, den die verrutschenden Hydro-Platten zurück ließen, wurde ebenfalls mit Wasser aufgefüllt, was die neue Topographie verursachte, die sich nun zeigt." [10]

Abb. 6 Durch den ungeheuren Wasserdruck wurde nach Ansicht der Kreationisten die darüber liegende Erde angehoben. Dies bewirkte die Bildung eines Grates gleich unterhalb der Bruch-Linie. Dieser unterirdische Rücken bewirkte einen Druck auf die Hydro-Platten, die auseinander zu gleiten begannen.

Natürlich ist die Hydroplatten-Hypothese nicht das einzige Modell, mit dem sich eine schnelle Kontinental-Drift erklären lässt; genauer gesagt ist eine solche Wasser-Schicht dazu überhaupt nicht notwendig, denn die Bruchstücke Pangäas können natürlich ebenso über das flüssige Magma des Erdinneren gedriftet sein. Auch der Neo-Katastrophist und Darwinismus-Kritiker H.-J. Zillmer vertritt ein solches Konzept: "Der Vorgang der Kontinentaldrift geschah [...] relativ schnell und nicht langsam im Laufe von -zig Millionen Jahren, wenn auch vielleicht in zwei oder drei größeren Schüben." [11] (siehe dazu:Kontinentalverschiebung im Widerspruch zur Atlantis-These? von H.-J. Zillmer)

Zillmer, der - ähnlich wie Immanuel Velikovsky - nicht das Zerbrechen Pangäas, sondern eine früher liegende Nahbegegung der Erde mit einem planetaren Körper als Ursache für die Sintflut-Katastrophe betrachtet (vergl. dazu auch: Der "Streifschuss" - Überlegungen von Christoph Müller), argumentiert naturwissenschaftlich und ist - auch wenn er die mögliche Existenz eines "Wasser-Baldachins" sehr wohlwollend bespricht - weit entfernt vom christlichen Kreationismus und dessen dogmatischer Bibelauslegung der Sintflut als vorsätzlichem Mega-Genozid Gottes an seiner Schöpfung. [12]

Auch für den Prozess rapider Gebirgs-Auffaltungen, wie sie ebenfalls schon Velikovsky angenommen hat, ist keineswegs ein Hydroplatten-Modell zur Erklärung notwendig, sondern auch hier könnte ein Gleiten der Erdkruste auf dem Magma einen solchen Prozess ermöglicht haben. [13] Zudem sind die "Brunnen" oder "Fontänen der Tiefe" keinesfalls nur auf der Grundlage einer unter Hochdruck stehenden Hydro-Schicht in der Erdkruste erklärbar. Ein solcher Vorgang, wie er in der Genesis geschildert wird, lässt sich durchaus auch vor dem Hintergrund massiver Polsprung- oder Impakt-Beben verstehen, bei denen schockartig Grundwasser aus den oberen Bodenschichten gepresst werden kann. Für die vermutlich schnell erfolgte Polarvereisung unter ungeheuren Schnee- und Hagel-Massen können empirische Katastrophisten ebenfalls alternative Erklärungen anbieten. (Siehe dazu etwa Atlantis, der Sintflut-Impakt und Nostradamus: Die Theorien von A. und E. Tollmann)

Abb. 7 Als die Platten miteinander kollidierten, verzogen sie sich. Die Zonen, die nach oben gedrückt wurden, nennen wir "Bergketten". Die nach unten gedrückten bezeichnen wir als "Täler". Daher liegen die Bergketten parallel zu den ozeanischen Graten, von wo sie weg gerutscht sind.

Eine der besondere Problematik des "bibel-katastrophistischen" Konzepts liegt in der Tatsache begründet, dass seine BEIDEN grundlegenden Behauptungen (Hydroplatten u. Wasser-Baldachin) voneinander abhängig, aber jede für sich weder beweisbar, noch zur Erklärung der in der Genesis geschilderten Vorgänge notwendig sind - sofern ihre Exegese nicht dogmatisch erfolgt. Das, hier vorgestellte, Hydroplatten-Szenario könnte nämlich bei wortwörtlicher Bibel-Auslegung nur zusammen mit der Vorstellung des erdumspannenden Wasserdampf-Schleiers oder -Baldachins zu dem im Alten Testament geschilderten Ergebnis einer 'Sintflut von oben und unten' geführt haben. Für den vermuteten "Baldachin" mag es immerhin konkrete Anhaltspunkte als Diskussionsgrundlage geben, aber naturwissenschaftlich akzeptable Evidenzen, welche die vormalige Existenz einer unterirdischen Wasser-Schicht in der Erdkruste zwingend nahe legen, hat noch kein "Bibel-Katastrophist" vorlegen können.

So müssen wir es in Frage stellen, wenn Kreationisten angeben: "Alle [...] ausgeprägten topographischen Merkmale auf der Erdoberfläche, darunter geologische, meteorologische und anthropologische Phänomene können unter Verwendung des Katastrophen-Modells der Bibel systematisch erklärt werden." Und es ist auch nur bedingt zutreffend, wenn behauptet wird: "Viele Wissenschaftler verwerfen die lange gepriesene uniformitaristische Betrachtungsweise zugunsten des katastrophischen Modells, da alle wissenschaftlichen Daten solch ein Modell bestätigen." [14]

Richtig ist, dass offenbar immer mehr Wissenschaftler bereit sind, den lange Zeit gedankenlos akzeptierten Aktualismus / Uniformitarismus vor dem Hintergrund nicht wegzudiskutierender, neuer Erkenntnisse einer kritischen Reflexion zu unterziehen. Tatsächlich wenden sich allerdings die wenigsten von ihnen in der Folge dem biblischen oder kreationistischen "Katastrophismus" zu (wer wird schon freiwillig 'aus dem Regen in die Traufe' springen?), sondern orientieren sich, wie etwa der Nobelpreisträger Prof. Sir Fred Hoyle, oder der italienische Mathematiker Prof. Emilio Spedicato an empirisch konzipierten, rationalen Kataklysmus-Vorstellungen und Interpretationen des überlieferten Sintflut-Geschehens.

Halten wir abschließend fest: Das Hydro-Platten-Modell der christlichen Kreationisten ist weder aus wissenschaftlicher, noch aus grenzwissenschaftlicher oder neo-katastrophistischer Sicht haltbar, sondern stellt im Grundsatz ein ideologisches Konstrukt dar. Seine nähere Betrachtung macht zudem deutlich, dass Bibel-Kataklysmik - bezüglich der Zeit nach der "Schöpfung" - lediglich eine krude Vermischung von Lyell´schen Vorstellungen zur Erdgeschichte mit dem Postulat eines einzelnen Kataklysmus darstellt: der Sintflut. [15]


Anmerkungen und Quellen

  1. Anmerkung: Der Terminus "Hydro-Platten" ist durchaus mehrdeutig und kann sowohl auf die vermutete, heute nicht mehr vorhandene Wasserschicht im Erdmantel, als auch auf die ehemals darauf gelagerten Schollen bezogen werden. Am besten läßt sich der Begriff vermutlich als korrespondierendes System aus Wasserschicht UND darübergleitenden Platten verstehen.
  2. Quelle: Rüdiger Heinzerling, Impaktszenario sprengt Kurzzeitmodell des biblischen Kreationismus
  3. Quelle: Anonymus, Examining some Scientific Theories, online unter http://www.licoc.org/TBS/Evidence%20Supporting%20the%20Flood.htm
  4. Quelle: ebd.
  5. Quelle: ebd.
  6. Quelle: ebd
  7. Anmerkung: Die christlichen Kreationisten stimmen insofern völlig mit den wissenschaftlichen Uniformitaristen überein, dass auch sie - mit Ausnahme der als singuläres Ereignis verstandenen Sintflutkatastrophe und ihrer vermuteten Spätfolgen - lediglich die langsam wirkenden Kräfte von Wind und Wasser als Motoren geologischer bzw. topographischer Veränderung betrachten. So heißt es in 'Examining some Scientific Theories': "Mit dem Verschwinden des Wasserdampf-Schleiers und der Polar-Vereisung hielt ein neues Wetter-Regime Einzug. Dies brachte die meteorologischen Muster verschiedener Art in Gang, wie wir sie heute erleben, darunter Winde und Stürme, die durch veränderlichen Luftdruck verursacht werden. Erdbeben, vulkanische Aktivität und andere geologische Phänomene hängen mit dem beständigen Verrutschen der Hydro-Platten zusammen."
  8. Quelle: ebd
  9. Quelle: ebd
  10. Quelle: ebd
  11. Quelle: H.-J. Zillmer, "Darwins Irrtum", Abschnitt "Kontinentalverschiebung im Widerspruch?" (S. 197 - 200), 1998 im Langen Müller-Verlag
  12. Anmerkung: Bis heute kann kein christlicher Kreationist eine akzeptable Erklärung dafür liefern, warum sein "Gott der Liebe" Aber-Milliarden von unschuldigen Lebensformen auf der Erde vernichtet haben soll, nur um eine "sündig" gewordene Menschheit zu liquidieren!
  13. Anmerkung: Indem sie feststellen, dass auch heute noch (lange, nachdem die prädiluviale Wasser-Schicht aus dem Untergrund gepresst wurde) ein 'Nachrutschen' oder 'Ausgleiten' der in Bewegung geratenen Schollen stattfindet (siehe Anmerkung Nr.7), konstatieren die Kreationisten damit unfreiwillig, dass besagte Wasserschicht zur Erklärung einer rapiden Kontinental-Drift überhaupt nicht notwendig ist.
  14. Quelle: Anonymus, Examining some Scientific Theories, online unter http://www.licoc.org/TBS/Evidence%20Supporting%20the%20Flood.htm
  15. Anmerkung: Auch wenn Kreationisten mehrheitlich die "Tiefenzeit" leugnen und glauben möchten, dass die Erde lediglich gut 10 000 Jahre alt ist, betrachten sie den Zeitraum NACH Beendigung des Schöpfungs-Aktes - abgesehen vom Sintflut-Ereignis - aktualistisch, quasi mit den Augen Lyells: Die Möglichkeit anderer Groß-Katastrophen der Erdgeschichte wird, da über sie nichts in der Bibel steht, schlichtweg außer Acht gelassen. Insofern sollte man die Anhänger dieser Lehre auch nicht als KATASTROPHISTEN, sondern präziser als DILUVIALISTEN (abgel. von DILUVIUM = Sintflut) bezeichnen.


Bild-Quellen

(1) christiananswers.net, unter: Noah's Flood - Where did the water come from?

(2-7) Long Island Church of Christ, unter: Examining some Scientific Theories