Die Sprache der Steine

von unserem Gastautor Robert Bauval

Der Große Sphinx von Gizeh ist vermutlich das weltbekanntste Relikt aus ferner Vergangenheit.
Er ist geheimnisumwittert. Tatsächlich ist er ein Mysterium für sich.

Der Sphinx wurde nicht aus behauenen Blöcken erbaut wie die Pyramiden und Tempel, die er bewacht, sondern aus dem gewachsenen Grund-Gestein herausgehauen. Seine Schöpfer verliehen ihm den Kopf eines Menschen (einige sagen, dass es eine Frau sei) und den Körper eines Löwen [1]. Er ist 66 Fuß hoch und eindrucksvolle 240 Fuß lang und weist einen höchst außergewöhnlichen Eindruck auf, wie einhundert Mona Lisas zusammen. Und seine Augen starren in Ewigkeit auf etwas am fernen Horizont im Osten, am Punkt der Equinoxie... auf etwas, das nicht auf dieser Welt ist, sondern dahinter, im Himmel liegt. Möglicherweise etwas, dass sich im Wesen und im Alter des Sphinx widerspiegelt oder darin 'eingefroren' ist.

Abb. 1: Der Große Sphinx von Gizeh wurde vermutlich im Alten Ägypten restauriert und erhielt sein heutiges Gesicht. Aus dem Felsen des Gizeh-Plateaus gemeißelt wurde der Koloss allerdings schon Jahrtausende früher, wie Robert Bauval konstatiert: um 11 500 v. Chr.

Nichts kann den Erst-Besucher auf die Ehrfurcht und Bescheidenheit gebietende Erfahrung vorbereiten, dem Sphinx von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen. Ganz gleich, wer man ist, ganz gleich, welche Veranlagung und Temperament man hat, der Große Sphinx von Gizeh wird einen nicht unberührt lassen. John Anthony West ist ein Mann, der dieses Phänomen gut kennt. Viele Male hat er im Schatten des Sphinx gestanden, seit er vor etwa dreißig Jahren damit begann, Ägypten zu besuchen. Auf ihn hatte der Sphinx stets den Eindruck eines Monuments gemacht, das viel, viel älter war als alles, was er bei Gizeh oder irgendwo sonst gesehen hatte.

West's 'Spürnase' für so etwas hatte ihn selten getäuscht. Eines Tages, als er ein Buch des französischen Autors und Mathematikers Schwaller de Lubicz über Ägypten las (Sacred Science, Paris 1961), brach dort plötzlich eine Antwort auf seine intuitive Ahnung über ihn herein. Schwaller machte nämlich eine Randbemerkung über die offenbare Erosion durch Wasser am Körper des Sphinx. Anhand einer Nah-Aufnahme des Sphinx erkannte West nun plötzlich, dass die Verwitterungs-Muster auf dem Sphinx nicht horizontal lagen, wie es auf anderen Monumenten bei Gizeh zu sehen ist, sondern vertikal. Nun ist horizontale Verwitterung ein Resultat langfristig einwirkender, starker Winde und Sandstürme. Davon hatte es mit Sicherheit in dieser ariden Region der Sahara einige gegeben. Könnte Wasser die vertikale Verwitterung am Sphinx verursacht haben? Wasser von woher?

Hier gab es eindeutig etwas, was weiterer Untersuchungen wert war. West wusste natürlich, dass die meisten Ägyptologen glauben, dass der Sphinx um 2500 v. Chr. zu Zeiten des Pharao Chephren (von Khafre), gebaut wurde, der auch mit der Zweiten Pyramide bei Gizeh identifiziert wird. Auch wusste er, dass dieser Glaube inzwischen so eingeschliffen war, dass man einen intellektuellen Bulldozer benötigte, um ihn aus dem Weg zu räumen. Nun hatte ihm seine Studie gezeigt, dass es sich bei diesem Glauben mehr um ein Dogma als um alles andere handelte. Er fragte sich: würde eine beweiskräftige Identifikation von Khafre mit dem Sphinx in 'öffentlicher Verhandlung' einer öffentlicher Überprüfung standhalten?

Abb. 2: Nichts kann den Erst-Besucher auf die Ehrfurcht und Bescheidenheit gebietende und Erfahrung vorbereiten, dem Sphinx von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu stehen.

Die Antwort lautete: nein. Der Grund war ganz einfach folgender: Es gab dort keine Inschriften - nicht eine einzige -, die in eine Mauer oder Stele gemeißelt, oder auf Papyrusrollen geschrieben waren, durch die Khafre (oder irgendjemand sonst, was diese Angelegenheit betrifft) mit der Konstruktion des Sphinx und der nahegelegenen Tempel in Verbindung zu bringen war. Was die Nähe von Khafres Pyramide zum Sphinx angeht (tatsächlich liegt sie 1700 Fuß entfernt), so bewies dies weder, dass beide Monumente als gemeinsamer Komplex, noch, was weitaus relevanter ist, in der selben Epoche konstruiert wurden.

Mit solchen Standards könnten künftige Generationen von Archäologen eines Tages dem Erbauer des "Sound & Light Theatre" wegen seiner Nähe zum Sphinx-Komplex die Urheberschaft am Sphinx zuschreiben, oder - wie jemand anderes es formuliert hat - die St. Paul's Kathedrale auf General Gordon von Khartum zurückführen, nur weil man seine Statue darin gefunden hat. Kurz gesagt, könnte sich Khafre als echtes 'Kilroy war hier' [-Phänomen] des Altertums herausstellen. Könnte der Sphinx also viel älter als das Regnum Khafres sein, wie West schon lange vermutet hatte? Könnte diese Hypothese beispielsweise auch die seltsame vertikale Verwitterung der Statue erklären?

1991 rief John West ein [interdisziplinäres] Top-Team von Spitzen-Wissenschaftlern zusammen, die nicht durch einen ägyptologischen Konsensus behindert [...] waren, und brachte sie nach Gizeh. Zu ihnen gehörte Dr. Robert Schoch, ein prominenter Geologe und Professor von der Boston University, der die einzigartigen Verwitterungs-Muster des Sphinx und seiner Anlage untersuchte. Seine Schlussfolgerungen, die nach mehrmonatigen Analysen zustande kamen, sorgten in der Welt der Archäologie für Konvulsionen. Die vertikalen Verwitterungs-Muster des Sphinx und seiner Anlage, so argumentierte Schoch, waren nicht durch Wind-Effekte verursacht, wie man zuvor gedacht hatte, sondern durch Wasser - Wasser aus sintflutartigen Regenfällen, das in Sturzbächen über diese alten Strukturen geflossen ist. Doch was bedeutete dies? Sagte Schoch damit, dass solch schwere Regenfälle nur auf den Sphinx gefallen seien, aber auf keine der anderen Anlagen bei Gizeh?

Das sei unmöglich, widersprachen die Ägyptologen. Nicht unmöglich, sagte Schoch, wenn konzediert wird, dass der Sphinx in einer Epoche gebaut wurde als solche Regenfälle in dieser Region üblich waren; dass andere Monumente bei Gizeh jedoch lange danach gebaut wurden, als diese Regengüsse aufgehört hatten. Wiederum unmöglich, gaben die die gerüffelten Ägyptologen zurück: solch schwere Regenfälle gab es schon tausende von Jahren vor der Zeit Khafres nicht mehr. Schoch zuckte höflich zurückhaltend die Schultern. Dies, so antwortete er, sei nicht sein Problem.

Dann kam das, was kommen musste. John West wurde als Scharlatan und Sensations-Häscher gebrandmarkt, und Schoch wurde 'geschnitten', weil er sich [als Nicht-Ägyptologe] in fremde Angelegenheiten eingemischt und sich auf ägyptologischem Grund und Boden herumgetrieben hatte. John West war jedenfalls unnachgiebig. Sicherlich verfügte er nicht über die 'höheren Weihen' seiner gelernten Gegenspieler, was ihn aber nicht im mindesten einschüchterte. Die wissenschaftliche Logik war auf seiner Seite [...] Mehr denn je war er nun davon überzeugt, dass die Ägyptologen ihn entweder mit gleichwertigen oder besseren wissenschaftlichen Argumenten widerlegen, oder zugestehen müssten, dass er, und nicht sie, bezüglich des Alters des Sphinx im Recht war. Alles andere wäre nichts Halbes und nichts Ganzes.

Um fair zu sein, sind die Implikationen von West's Theorie natürlich weitgreifend. Die Geschichtsbücher werden umgeschrieben werden müssen und die Wissenschaftler werden sich mit den Ursprüngen der Zivilisation als ein Ganzes zu befassen haben. Nun, sei´s drum. So funktioniert Fortschritt nun einmal. Jedenfalls ist so etwas schon viele Male zuvor unternommen worden und es könnte wieder vollbracht werden. Nun war es jedoch eine Sache zu beweisen, dass der Sphinx viel älter als Khafre war. Die Frage war jedoch, wie viel älter genau? Wie könnte die Wissenschaft das wirkliche Alter des Stein-Monuments bestimmen?


Die Sphinx-Debatte wendet sich der Astronomie zu

1989 habe ich eine Arbeit im Oxford Journal, Discussions In Egyptology (Ausg. 13) veröffentlicht, in welcher ich gezeigt habe, dass die drei Großen Pyramiden und ihre relative Position zum Nil auf dem Boden eine Art 3-D 'Hologramm' der drei Sterne des Orion-Gürtels und seiner relativen Position zur Milchstraße schufen. (Abb. 2) Zur Stützung dieses Streitpunkts habe ich den geneigten Schacht in der Großen Pyramide angeführt, welcher auf den südlichen Meridian in dieser Gruppe von Sternen ausgerichtet war, sowie schriftliche Evidenzen aus den Pyramiden-Texten, die das jenseitige Weiterleben der Pyramiden-Könige mit Orion in Verbindung brachten. An späterer Stelle in meinem Buch The Orion Mystery (Heinemann-Mandarin) habe ich zudem demonstriert, dass eine perfekte Übereinstimmung der Gizeh Pyramiden / Nil-Muster mit dem Orion-Gürtel / Milchstraßen-Muster erst dann entsteht, wenn der Himmel auf die Epoche von 10 500 v.Chr. 'zurückgestellt' (d.h. präzessiert) wird. Dafür gab es gute Gründe.

Die alten Ägypter, beispielsweise, nahmen beständig bezug auf ein fernes Goldenes Zeitalter, das sie Zep Tepi, 'Die erste Zeit' des Osiris nannten und welches, wie sie glaubten, lange vor dem Zeitalter der Pyramiden gelegen habe. Osiris war Orion, und in der Großen Pyramide gab es einen Schacht, der auf den Orion [...] ausgerichtet war. Für mich scheint sich sich diese 'stumme' astro-architektonische Sprache so zu buchstabieren: hier ist Osiris im Himmel, zu der Zeit als diese Pyramiden gebaut wurden, und wisse zudem, dass diese Ursprünge in der Ersten Zeit wurzeln. Doch die 'Erste Zeit' wovon? Wie konnten die Sterne des Orion eine 'Erste Zeit' haben?

Nun, sie können. Und sie haben. Vorausgesetzt natürlich, dass man die allegorische 'Sprache' der Alten mittels der symbolischen Architektur und der zugehörigen Pyramiden-Texte versteht. Diese Allegorie stellt, mit anderen Worten gesagt, die 'Q-Basics' der Meister-Astronomen dar, die den Komplex von Gizeh konzipierten. Wenn die Sterne des Orion im Meridian auf genau die selbe Art beobachtet werden, wie es die ägyptischen Astronomen viele Jahrhunderte lang getan haben, hätte dabei festgestanden, dass diese Sterne den südlichen Meridian zu jedem Zeitalter in unterschiedlichen Höhen kreuzten. Dies liegt natürlich am Phänomen der Präzession (siehe "The Orion Mystery", Anhänge 1 und 2). Kurz gesagt könnte man über die Sterne des Orion feststellen, dass sie einen Start-Punkt oder einen 'Anfang' am Nadir ihres Präzessions-Kreislaufs haben. Simple Berechnungen zeigen, dass sich dies 10 500 v.Chr. ereignete. Könnten die alten Astronomen des Pyramiden-Zeitalters ihre äußerst clevere 'stumme Sprache', kombiniert mit der Präzession, benutzt haben, um die 'Erste Zeit' des Osiris 'einzufrieren' - in etwa, wie die begnadeten Architekten gothischer Kathedralen in ihren allegorischen Steinmetz-Arbeiten die 'Zeit Christi' festhielten?

Abb. 3: Eine verblüffende Ähnlichkeit: die drei Großen Pyramiden von Gizeh und ihre relative Position zum Nil bilden auf dem Boden eine Art 3-D 'Hologramm' der drei Sterne des Orion-Gürtels und ihrer relativen Position zur Milchstraße

Im Sommer 1993 trafen Graham Hancock und ich zusammen, um diese Angelegenheit weiter zu untersuchen. Graham erkannte schnell die wichtigen Implikationen, die dieser Ansatz für das Sphinx-Problem haben könnte. Er hatte eine Vorahnung, dass der kuriose Rückgriff der Pyramiden-Bauer von Gizeh auf die Epoche von 10 500 v. Chr. eine Einladung von ihnen darstellte, sich Gedanken um wirkliche Alter des Sphinx zu machen. Wenn diese Hypothese korrekt war, dann muss der Sphinx eine zeitliche Markierung für jene ferne Epoche sein, die im Zusammenhang mit einen klaren Hinweis am Himmel von 10 500 v. Chr. steht. Aber mit welchem Hinweis? Was könnte der Sphinx darstellen, das sich am Himmel befand? [...]

In seinem bahnbrechenden Buch Fingerprints of the Gods (Heinemann-Mandarin) hat Hancock hervorgehoben, dass die 'Erste Zeit'-Datierung von 10 500 v.Chr. auch genau den Anfang oder die 'Erste Zeit' des Zeitalters des Löwen markiert. [...] Der Sphinx wurde, mit anderen Worten, so errichtet, dass er genau auf sein Abbild am Horizont [das Sternbild] blickte - und konsequenter Weise geschah das auch in seinem 'Zeitalter'. Hancock wies darauf hin, dass 10 500 v.Chr. keine willkürliche Datierung war. Sie zeigte sehr präzise einen Neubeginn an, den von Orion-Osiris, auf dem Boden definiert durch die Muster und Ausrichtungen der nahen Pyramiden.

Neben den Pyramiden ist es nun also auch der Sphinx, der uns zu ein und der selben Datierung von 10 500 v.Chr. führt. Haben wir es hier mit einem 'Zufall' - einem erstaunlichen jedenfalls - zu tun, oder war all dies Teil eines geplanten Langzeit-Programms der Altvorderen? Wäre es möglich, dass 10 500 v. Chr. mit der Erschaffung des Sphinx irgend eine Blaupause umgesetzt wurde, um dann viel später von den Erbauern der Pyramiden vervollständigt zu werden? Gab es Evidenzen für eine kontinuierliche, Zeitalter währende, Präsenz irgendwelcher Meister-'Astronomen' bei Gizeh, die für die Planung eines solchen Programms verantwortlich gewesen sein könnten?

Wenn das so war, wer waren sie? Woher kamen sie? Warum hierhin, nach Gizeh? Graham und ich haben die vergangenen beiden Jahre mit der Erforschung dieses faszinierenden Problems verbracht. Wir sind der Meinung, dass das, was wir entdeckt haben, die Wahrnehmung dessen, was Gizeh war (und nach wie vor ist), für immer verändern werden. Die vollständigen Resultate unserer Untersuchungen finden Sie - sie werden es vermutet haben - in unserem neuen Buch, "Keeper of Genesis" [...] Bliebe an diesem Punkt noch sagen, dass der Autor Colin Wilson, der eine frühe Rezension des Buches schrieb, es für 'eine viel zufrieden stellendere 'tour de force' hält als "Fingerprints of the Gods" oder "The Orion Mystery". Lassen Sie uns zwischenzeitlich einen kurzen Blick auf eine faszinierende archäologische Entdeckung in der Nähe des Sphinx werfen, die kürzlich für Schlagzeilen gesorgt hat.


Ein Glückstreffer mit dem Spaten

Im Oktober 1995 beschloss die Egyptian Antiquities Organisation endlich, den alten Parkplatz östlich des Sphinx zu renovieren. Bei der Säuberung des Areals vor dem Sphinx und dem Tal-Tempel legte ein 'Glückstreffer' durch den Spaten eines der Arbeiter einen Teil eines alten Komplexes von Untergrund-Galerien und Gängen frei. (Abb. 4) Als wir von dieser glücklichen Entdeckung hörten, planten Graham Hancock und ich eine Kurz-Reise nach Ägypten, um uns selber anzusehen, was dort vor sich ging. John Anthony West war auch auf dem Weg dorthin, und so beschlossen wir, uns direkt in Gizeh zu treffen. Als wir ankamen, wimmelte es nur so vor Aktivitäten auf dem Platz.

Abb. 4: Im Oktober 1995 wurde zufällig ein System von Gängen und Kammern unter dem Sphinx wiederentdeckt, das offenbar bereits Jahrzehnte zuvor erforscht worden war. Warum hatte man die Fundstätte wieder zugeschüttet? Warum ging das Wissen um ihre Existenz völlig verloren?

Mehrere Gruppen von Arbeitern und Steinmetzen gruben das Areal vor dem Sphinx und seinen Tempeln um und säuberten es. Wir hatten das Riesen-Glück, dass die ägyptischen Autoritäten diesen Bereich noch nicht abgesperrt hatten, und so fragten wir einen der diensthabenden Inspektoren, ob wir ihn uns etwas genauer ansehen dürften. Es war gar nicht so leicht zu sagen, was genau dort geschah. Niemand schien das genau zu wissen. Es sah so aus, als sei ein Teil dieses Areals bereits einige Jahre zuvor ausgegraben, dann aber, aus unbekannten Gründen, wieder zugeschüttet worden.

Dies erwies sich anhand der noch dort befindlichen Pfuschereien mit modernem Mörtel und Eisen-Trägern, die in die Decken der alten Gänge eingebettet worden waren, wahrscheinlich in der Absicht, die Relikte zu stützen oder zu verstärken. Ein Inspektor, der dort stand, schien zu meinen, dass diese modernen Beifügungen entweder gemacht wurden, als der Ägyptologe Selim Hassan das Areal in den 1930ern für die ägyptische Altertumsbehörde säuberte, oder vielleicht später, in den 1950ern, als in der Nähe das Open-Air-Theater Sons Et Lumieres gebaut wurde. Doch warum die Spuren wieder zugeschüttet wurden, und warum und wie sie in Vergessenheit gerieten, bleibt rätselhaft.

Diese Spuren bestanden aus einem Haupt-Gang, der (etwa 10 Fuß breit und 200 Fuß lang von Norden nach Süden) in den natürlichen Felsgrund geschnitten, vor dem Tal-Tempel und dem Sphinx verläuft. Dieser Haupt-Gang wird unterteilt durch zwei gepflasterte Gänge, die vom Tal-Tempel aus kommend, Richtung Osten verlaufen - als würden zwei kleine Straßen eine gerade Autobahn queren. Diese Gänge knicken äußerst befremdlicher Weise an ihrem östlichen Ende nach unten ab und verschwinden dann im Boden. Wir haben im Hauptgang an dem Punkt, wo er den südlichen Gang durchschneidet, auch eine sehr seltsame Kanal-Anlage bemerkt. Ihr Deckel, der aus einem einzigen Stück Kalkstein gemacht ist, ist an einer Ecke gebrochen und wir konnten dahinter Wasser (vermengt mit Abwässern von dem nahe gelegenen Dorf) in Rich-tung zwischen Sphinx und Tal-Tempel fließen sehen.

Der gesamte Komplex war offenbar sehr alt und mit ziemlicher Sicherheit zur selben Zeit wie der Sphinx entstanden. Aber worin bestand seine Funktion? Und was war der Zweck des unterirdischen Kanals? Einem wichtigen alt-ägyptischen Mythos zufolge wurden die legendären Tore zur Nachwelt von zwei gigantischen Löwen oder Sphinxen bewacht, die Aker genannt wurden. Auf Zeichnungen in Gräbern des Neuen Reiches ruht stolz der Aker-Sphinx des östlichen Tors, mit seinem hinteren Teil in einem Hohlraum. Darunter kann man einen seltsamen Untergrund-Strom oder eine Leitung erblicken. Hinter dem Löwen ragt ein riesiger Mound oder eine Pyramide auf, und darunter findet sich eine große, ovale Kammer, die hermetisch versiegelt zu sein scheint.

In dieser mysteriösen Kammer befinde sich, wie es heißt, irgend ein hohes Geheimnis, zweifellos von den 'Göttern' stammend, die während der weit zurückliegenden Epoche des Zep Tepi - der 'Ersten Zeit' - das Land Ägypten beherrschten. Diese seltsame Kammer wurde in Rostau [Gizeh] das 'Haus des Sokar' genannt. Die Ähnlichkeit mit dem Sphinx-Komplex bei Gizeh ist unheimlich. Gizeh wurde in alten Zeiten auch Rostau genannt, und Sokar (eine falkenköpfige Gottheit) hat man mit Osiris identifiziert. Seltsame Übereinstimmungen? Vielleicht. Oder wird die Astronomie einen 'Glücksgriff' tun, der diesen vermeintlich kosmischen Mythos in die historische Realität versetzen wird? Bleiben Sie 'am Ball'!

Robert Bauval


Anmerkungen und Quellen

Dieser Beitrag von Robert Bauval © erschien erstmals unter dem Titel "The Language of Stone" im AA&ES magazine, August 1996; Übersetzung ins Deutsche nach http://dspace.dial.pipex.com/ritson/quest/sphinx/ (nicht mehr online) durch Atlantisforschung.de


Bild-Quellen

(1-4) http://www.ecolenet.nl/best/french.htm