Die Zwerge vom Hutberg

Abb. 1 Der Hutberg ist eine 311 Meter hohe Erhebung im Osten des Dresdner Stadtgebietes. Der Berg liegt im Ortsteil Weißig im Schönfelder Hochland und steht als Naturdenkmal unter Schutz.

von unserem Gastautor Wilfried Stevens

Im Beitrag Die Querkel von Staffelberg & Lußberg sind am Ende die Zwerge geflüchtet. Auch im zweiten Beitrag waren es die Menschen und deren Verhalten, das zum Schluss die Zwerge zwar nicht flüchteten, aber aufgrund ihrer schlechten Erfahrung mit den Menschen einfach wegzogen. In dieser Volkserzählung geht es um das kleine Volk im Hutberg und erfährt sogar ein wenig von der legendären Zwergen-Magie in Form einer seltsamen Salbe, und eine kleine Andeutung von einer Zwergen-Axt die wie ein Chakram zum Werfer zurückkommt.

Die wahren Freunde der Zwerge sind das Eisen und ihre Schmiede, die sicherste Festung ist die Erde und der Stein. Gib den Menschen eine Hand, vergiss bei ihnen aber nicht die zweite Hand zur Axt. (Zwergen-Weisheit)

Der Hutberg bei Dresden

In Dresden, im östlichen Stadtgebiet Weißig, erhebt sich der unscheinbare 311 Meter hohe Hutberg. Nach den bisherigen Erforschungen wurde der Hutberg bereits in vorchristlicher Zeit bewohnt, denn man fand Anhaltpunkte für eine ehemalige slawische Wallanlage, die auch als Kult- und Opferstätte diente. Weiterhin wurden hier von Germanen und Kelten Sonnenwendfeiern abgehalten. Diese aus vulkanischen Gesteinen (Porphyre) bestehende und bewaldete Erhebung war früher noch ein Teil eines Steinbruches für den Abbau von Porphyr. Zwischen 1873 und 1875 wurde sogar ein Steinkohlebergwerk betrieben, doch waren die abbaubaren Mengen so gering, dass der Abbau wiedereingestellt wurde. Daran erinnert noch das von den Anwohnern genannte Berghäckerloch, ein ca. 90 Meter ehemaliger langer Stollen. Leider gingen alte Stollenunterlagen verloren. Heute ist der Hutberg ein Naturdenkmal in einem insgesamt 6,2 Hektar großem Naturschutzgebiet, und Wahrzeichen des Stadtgebietes Weißig. Doch am berühmtesten wurde der Hutberg durch die alten Volkserzählungen, dass hier einst im Berg ein kleines Zwergen-Volk gelebt haben soll. Daher hier die Zusammensetzung dieser Volkserzählungen über ein sagenhaftes Zwergenvolk.

Die Zwerge im Hutberg bei Dresden

Die Zwerge im Innern des Berges waren geschickte Handwerker und Schmiede, doch am geschicktesten waren sie im Bergbau. Eine unheimliche Macht trieb sie dazu, immer tiefer in Bergen und immer tiefer in die Erde zu gehen, um begehrte Metalle und Kristalle zu suchen. Daher trieben sie ihre kleinen Stollen immer tiefer und tiefer bis sie was fanden. Es heißt, wenn jemand die Dämonen der Unterwelt weckte, dann waren es die Zwerge mit ihrem Gehämmere. Im Hutberg fanden sie schließlich eine reichhaltige Silberader, die nur sie kannten, und eine Zwergen-Sippe ließ sich nieder, und häuften ihren Reichtum an. Wenn sie in den Dörfern kamen, um zu handeln, feilschten sie um jeden Preis, zahlten aber immer und sofort mit reinstem Silber. Dabei kam selten ein Zwerg alleine in einem Ort, wussten sie doch auch, dass ihr Silber vielleicht Missgunst und Räuber anlocken könnte. Daher trug jeder bärtige Zwerg eine geschmiedete Zwergen-Axt an seinem Rücken. Doch dies war keine gewöhnliche Axt wie im Walde, denn traf dieses Axt nicht ihr Ziel flog sie zurück in die Zwergenhand. Sie nahmen auch Aufträge von Menschen an, weil sie mit viel Hingabe schmiedeten und reparierten, aber weil sie selber so reich waren, wollten sie kein Geld dafür, sondern tauschten ihre Arbeit oder ihre Waren in Dinge, die sie von den Menschen begehrten. Die waren Ton-Geschirr, Gemüse und Obst, Stoffe und Leder sowie Stroh. Holz für ihre Schmiede verachteten sie aber, denn ihre glühende Zwergen-Steine (Kohle?) konnten nie verbrennen. Immer trugen sie ihre spitzen Zwergen-Hüte mit dem Geheimnis, sich unsichtbar machen zu können.

Auch wenn sie von ihrer Natur aus grimmig und misstrauisch waren und manchmal auch aufbrausend, so halfen sie den Menschen auch in Notfällen, und wer sie sehr gut kannte, konnte mit ihnen trinken. Vor dem Hutberg gab es eine kleine Hütte, worin ein grimmiger alter weißbärtiger Zwerg hinter einem Tisch mit Silberwaage sitzend das Silbergeld verwaltete, an seiner Seite zwei grimmige Zwerge mit ihrer Zwergen-Axt. So konnte jeder, den sie kannten, bei ihnen ein Darlehen bekommen, wenn es die Not bedürfte. Doch die Zwerge waren auch schlau, und belegten jedes Silber das sie verliehen, vorher mit einem geheimen Zwergen-Fluch. Kam ein Mensch zu ihnen und bat um ein Darlehen, so musste dieser vorher die Hände gewaschen haben. Dann mussten die Hände mit einer für Menschen durchsichtigen Zwergen-Salbe eingerieben werden, wovon es hieß, sie bleibe immer haften, egal wie oft man sich wasche, und nur eine andere Salbe kann das wieder bereinigen, wenn die Schuld bezahlt wurde. Bei der Übergabe musste der Mensch ein Gebet aussprechen, dass der Fluch der Zwerge über ihn kommen wird, würde er das Silber-Geld nicht pünktlich zurückzahlen oder gar einen Betrug versuchen. Wenn die letzte Rückzahlung erfolgte, musste der Menschen wieder seine Hände vorher waschen, diese dann mit der anderen durchsichtigen Salbe einreiben und wieder ein Gebet aussprechen, damit ihn der Zwergen-Fluch nicht mehr träfe.

Ein Mann, der sich auch Silber-Geld bei den Zwergen geliehen hatte, verlachte den Zwergen-Fluch, und vor dem ganzen Dorfe verkündete, das er jetzt mit ungewaschenen Händen den Zwergen die letzte Rückzahlung verweigere, den sie gewährten ihm keinen Aufschub der Rückzahlung und wollte so das Silber behalten. Als er bei den Zwergen ohne gewaschene Hände angekommen war und sich auch weigerte das erforderliche Gebet auszusprechen, verwarnte ihn der alte Zwerg:

Du hast heute Deine Hände nicht gewaschen, auch magst Du nicht beten, also kann ich aus einer unreinen Hand kein Geld nehmen oder geben, wenn Du morgen wiederkommst, wasche diese und bete, dann magst Du Dein Geld zahlen.

Lachend ging der Mann ins Dorf zurück und verhöhnte laut die Zwerge und wie einfältig alle im Dorf wären. Am nächsten Tag widerholte der Mann sein Vorgehen und ging wieder mit ungewaschen Händen und diesmal ohne Silber erneut zur Hütte, verweigerte das Gebet und schimpfte auf die Zwerge wegen seiner Rückzahlung. Zornig ließ der alte Zwerg den Mann rausschmeißen und rief ihm hinterher:

Wohlgefallen hat es Dir am Silber ohne Zins und an unnützes Geschwätz, kein Wohlgefallen sollst Du mehr vom Zwergen-Silber haben …

Wieder lachend ging der Mann ins Dorf zurück und die Leute fragten sich, ob dieser gestraft würde oder ob man es ihm gleichtun wollte, und jeder hätte mehr Silber. So taten es weitere, und auch andere Dörfer taten es ihnen gleich, und jedes Mal wurden sie vom zornigen Zwerg davongejagt. Doch es schien ihnen egal und alle vergaßen schnell, dass ihnen die Zwerge mit Silber ohne Zins in der Not halfen. Es vergingen die Tage, und kein Zwerg kam fordernd ins Dorf, aber auch kein Zwerg kam mehr zum Handeln. Nach einigen Tagen kehrte Unglück bei den Menschen ein, einer traute den anderen nicht, und der eine oder anderen stahl voller Missgunst das Silber des einen oder anderen, bis das Silber aufgebraucht war und viele arm wurden. Nun war jeder davon überzeugt, dass der Zwergen-Fluch sie alle treffen würde, und alle schauten auf ihre Hände sahen aber nichts. Voller Scham und Sorge gingen die Menschen zum Hutberg, um Buße bei den Zwergen zu erbitten, dass ihnen verziehen würde und dass sie ihre Schuld wieder irgendwie bezahlen wollten. Doch sie fanden keinen einzigen Zwerg mehr und kein Silber, nur einige kleine Spaten und Spitzhaken, und es schien sie waren niemals da. Ihre Stollen waren auch verschwunden, und die Leute waren überzeugt, dass die Zwerge sie unsichtbar gemacht hätten. Auf dem Rückweg begegneten sie einen Schäfer mit seiner Herde, und er sagte zu ihnen, ohne dass sie was sagen wollten:

Meine Schafe sind zufrieden, wenn ich sie zu saftigen Wiesen führe, dass kost' nichts, und ihr verscheucht die Zwerge, obwohl sie keinen Zins verlangten!

Wo sind sie hin? fragten sie den Schäfer.

Ich zählte 80 Zwerge, sie zogen mit Frauen und Kinder voll beladen zur Flussfähre, die Zwergen-Kinder ritten auf meinen Schafen und ich habe mir ein Sack Silber wohl redlich verdient. Weg sind sie über den Fluss zu ihren Brüdern, mehr haben sie nicht gesagt. Ihr denkt, sie waren über grimmig Euch alle, ich sage, die waren traurig über Euch!

Alle Menschen schämten sich, da sie so viel Ungutes den Zwergen angetan hatten, und sie sahen bis zum Lebensende keinen Zwerg mehr am Hutberg.


Bildquelle

Abb. 1: Paulae, CC BY 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/3.0>, via Wikimedia Commons