Maltas Wirtschaft

Auf Malta nach Atlantis reisen, Kap. 17

von Dr. Christiane Dittmann

Ein Land ohne Bodenschätze, entwaldet, verkarstet, ökologisch ruiniert mit den weltweit geringsten Trinkwasserressourcen: das sind extrem schlechte naturräumliche Voraussetzungen. Doch Humanfaktoren wie Politik und Bildung sind heute viel wichtiger für die Wirtschaftsentwicklung.

Das nach der Schließung der Militärstandorte verarmte Land nutzte seine Stärken. Vor allem Mittelstandsbetriebe vom Kontinent und den Britischen Inseln siedeln sich wegen steuerlicher Vergünstigungen an. Malta versteht sich als Bindeglied zwischen Europa, Afrika und Nahost und deshalb können Investoren, die in Libyen Geschäfte machen, Malta als Steueroase nutzen und müssen nur 15% der Gewinne abführen. Weitere hervorragende Standortfaktoren sind die qualifizierten, englischsprachigen Arbeitskräfte und das geringe Lohnniveau.

Im Hotelgewerbe liegt der durchschnittliche Bruttolohn unter 1000 Euro/Monat. Selbst Techniker oder Finanzfachleute sind unter 2000 Euro/Monat zu haben. Das schafft ungeheure Anreize und deshalb eröffneten schon über 3000 Firmen Zweigbetriebe. Das Pro-Kopf-Volumen an ausländischen Direktinvestitionen nimmt in der EU einen Spitzenplatz ein, was jährliche Wachstumsraten von über 4% zur Folge hat. Wegen des fehlenden Binnenmarktes produzieren die Betriebe exportorientiert. Zunächst dominierten Fertigungszweige, die der frühindustriellen Phase zuzurechnen sind, wie Textil- und Lederverarbeitung oder Montage elektrotechnischer Geräte. Durch die Tradition als Flottenstützpunkt haben auch Schiffsbau, aber vor allem Reparatur und Wartung eine große Bedeutung. Die „Malta Dockyards“ sind die zweitgrößte Werft Europas.

Trotz dieser Erfolge bildet der Tourismus einen Schwerpunkt der maltesischen Wirtschaft. Etwa ein Viertel der Arbeitskräfte ist hier beschäftigt, der Anteil am BIP beträgt um 35%. Daher sollten die Malteser mit Sorge zur Kenntnis nehmen, dass die Besucherzahlen seit einigen Jahren zurückgehen. Das liegt vor allem an relativ hohen Preisen in teilweise veralteten Hotels. Bevor Malta Eu-Mitglied war, klagten Urlauber oft über schlechten Service und fettes, geschmacksneutrales Essen. Das (männliche) Personal behandelte Gäste nicht selten mit sozialistischer Höflichkeit, gegen die der Münchener Grant eine Charmeoffensive darstellt.

Aus dieser Zeit hat Malta immer noch einen nicht so guten Ruf. Doch inzwischen werden Hotels zertifiziert, das Hotelpersonal ist sehr freunlich und das Essen schmeckt auch. Die Öffnungszeiten von Sehenswürdigkeiten wurden erheblich verlängert. Man bemüht sich sehr um Kundenfreunlichkeit, doch die Interessen, hauptsächlich der deutschen Urlauber, die wenige Zeit in den Hotelanlagen verbringen, sind den Einheimischen noch recht fremd. Und weil Malta nur einige gute Strände hat muss für Bildungs- und Wandertourismus noch mehr getan werden.

Insgesamt erwirtschaftet der Dienstleistungssektor drei Viertel des Volkseinkommens, der Sekundäre Sektor 23%. Wegen der naturräumlichen Gegebenheiten spielt die Landwirtschaft eine völlig untergeordnete Rolle. 80% der Nahrungsmittel müssen importiert werden. Dennoch exportiert Malta Blumen und Frühkartoffeln. Der Beitritt zur EU verändert die in sozialistischer Zeit entstandene Arbeitsplatzstruktur. Vorrangige Ziele sind der Abbau von Beschäftigten im Öffentlichen Dienst, in dem immer noch ein Drittel der Berufstätigen arbeitet und die Privatisierung wichtiger Wirtschaftsbereiche, wie Hafen, Airport oder Tourismusorganisationen, um die Produktivität und Attraktivität zu verbessern. Das ist mit Arbeitsplatzabbau und Einschnitten in das Sozialsystem verbunden. Die Staatsverschuldung, die 2004 etwa 70% des BIP umfasste und das Handelsbilanzdefizit von ca. 25% mit einem Umfang von ungefähr 1 Mrd. US$, müssen abgebaut werden.

Die durch die Reformen verursachte Arbeitslosigkeit geht langsam zurück, auf 5,6% im März 2008. Bei jungen Leuten unter 25 Jahren ist sie aber doppelt so hoch. Trotzdem fehlen gut ausgebildete Fachkräfte, vor allem in technischen Berufen und Management. Ohne die konservative Lebenseinstellung der Bevölkerung wären diese Zahlen viel größer. Die Frauenerwerbsquote von etwa einem Drittel ist die niedrigste in der EU. Weil auch Ältere sehr früh in Rente gehen, beträgt die Erwerbsquote nur 56%. Viele Malteser arbeiten im Ausland. Deshalb ist für eine Übergangszeit bis 2011 der Zugang für Migranten aus der EU beschränkt. Malta verweigert afrikanischen Bootsflüchtlingen den Aufenthalt.

Mit dem Beitritt zur EU verbessert sich einerseits stetig der Lebensstandard. Das BIP/Kopf ist seitdem um 1000 Euro auf 12 000 Euro angestiegen und beträgt damit etwa die Hälfte des deutschen Wertes. Der Kaufkraftstandard lag 2005 mit 70% zwar noch deutlich unter dem EU-Durchschnitt, jedoch höher als in Portugal oder Osteuropa. Durch den freien Warenverkehr vergrößert sich die Auswahl an Konsumgütern enorm. Gleichzeitig steigen aber auch die Preise. Mieten und Restaurantbesuche sind ebenso teuer wie in Deutschland, obwohl die Leute nicht einmal die Hälfte verdienen. Und weil der Platz auf der kleinen Insel rar ist, müssen horrende Immobilienpreise bezahlt werden.

Bei der nächsten Wahl entscheidet es sich, ob die Malteser in der EU eine neue Heimat gefunden haben. Nach einer Umfrage im Jahr 2008 soll es nur noch 15% EU-Gegner geben. Bei den Wahlen zum Europa-Parlament am 07. 06. 09 errangen die EU-Gegner der MLP jedoch einen glänzenden Sieg von 53%. Die Konservativen erhielten nur 40% der Stimmen, der Rest ging an Splittergruppen.


Fortsetzung: Umwelt (Kap. 18)