Doggerland

von Tony O’Connell

Abb. 1 Das Doggerland während verschiedener Phasen seiner Existenz (für eine vergrößerte Ansicht bitte das Bild anklicken!)

Doggerland ist die Bezeichnung für eine seichte Region der Nordsee (Abb. 1) zwischen Dänemark und Nordengland und hat eine Fläche von etwa 10.000 Quadratkilometern. Diese Bezeichnung wurde 1998 von Professorin Bryony Coles geprägt. Der Name wurde jedoch kürzlich [1] auf fast das gesante Keltische Schelf angewendet. Ulf Erlingsson, der seine Theorie [2] promotet hatte, dass Atlantis (mit 98,9% Konfidenz!) in Irland angesiedelt war, hat nun seine Positionsangabe verschoben und optiert für die Nordsee, wobei er nahelegt, dass die Doggerbank die Inspiration war, die hinter den "unpassierbaren Untiefen" steckt, die von Plato für die Zeit nach dem Untergang von Atlantis geschildert werden.

Es war wahrscheinlich aber Rachael Carson (Abb. 2), welche die Doggerbank in ihrem Buch The Sea Around Us [3] erstmals als Heimat von Atlantis vorschlug. Der skandinavische Schriftsteller Nils Olof Bergquist war der nächste, der in seinem 1971 erschienenen Buch Ymdogat-Atlantis [4] antrat, um diese Idee zu unterstützen.

Abb. 2 Rachel Louise Carson (1907-1964), eine US-amerikanische Zoologin, Biologin, Wissenschafts-Journalistin und Sachbuchautorin, war 1951 vermutlich die erste, die Atlantis mit dem Gebiet der Doggerbank in Verbindung brachte.

Der früheste Hinweis auf eine solchen Zusammenhang wurde auch kurz von Robert Graves [5] unterstützt. Andere Autoren wie Jean Deruelle [6], Sylvain Tristan [7] und Guy Gervis haben die Doggerbank später ebenfalls mit Atlantis in Verbindung gebracht. Gervis hat dazu zwei miteinander in Beziehung stehende Arbeiten [8] [9] zu diesem Thema verfasst. Rob Waugh, ein britischer Journalist, hat einen illustrierten Artikel [10] mit dem provokanten Titel "Britain’s Atlantis found at the Bottom of the North Sea" (Britisches Atlantis am Grund der Nordsee gefunden) offeriert, in dem er auf einige der Entdeckungen bezüglich Doggerland eingeht.

Im Jahr 2009 wurde ein Buch [11] mit dem Untertitel The Rediscovery of Doggerland veröffentlicht, das auf der Untersuchung eines von Professor Vincent Gaffney von der Universität Birmingham geleiteten Teams basiert. Im Juli 2012 veröffentlichte die britische Daily Mail einen umfassenden Artikel über Doggerland. Die Überschwemmung der Doggerbank wurde auf ein Ereignis im Jahr 6200 v. Chr. zurückgeführt, welches offenbar durch einen Abfluss von Schmelzwasser aus dem [prähistorischen] Agassizsee in Nordamerika, oder aber durch einen riesigen Tsunami verursacht wurde, der durch eine Rutschung der norwegischen Storegga [12] erzeugt wurde. Dieses Geschehnis wurde auch in einem ausführlichen Artikel in der Novemberausgabe 2012 des Magazins BBC Focus behandelt. Selbiger Artikel hat eine Seitenleiste zu Atlantis, in der behauptet wird, dass es "wohl nur eine archäologische Theorie gibt, die einen ernsthaften Anspruch auf den Mythos hat". Mithin bot die BBC - nicht zum ersten Mal - eine implizite Unterstützung für die Minoische Hypothese an, ungeachtet der Tatsache, dass diese zumindest allem Anschein nach nicht mit Platos Beschreibung von Atlantis in Bezug auf Zeit, Größe oder Standort übereinstimmt und keine Begründung für seine Stellung bietet [?; orig: "offers no rationale for its stance"; d.Ü.].

Abb. 3 Platons Atlantis im Doggerland nach Jean Deruelle (für eine vergrößerte Ansicht bitte das Bild anklicken!)

[...] Die Ausgabe des Magazins National Geographic vom Dezember 2012 hat auch einen informativen Artikel über Doggerland und über die laufenden Arbeiten von Archäologen in der Region veröffentlicht. Er betrachtet ebenfalls den Storegga-Rutschung oder den Abfluss des Agassizsees als Ursache für die endgültige Überflutung von Doggerland. Für mich war es interessant, dass eine Karte in dem Artikel ein kleines Gebiet - in etwa dort, wo ich wohne - als letzte vergletscherte Region Irlands anzeigt.

Alfred de Grazias Online-Magazin Q-Mag veröffentlichte auch eine Übersicht über die Geschichte des Doggerlands aus dem Jahr 2012 [13], die auf einem Beitrag der deutschen Zeitschrift Der Spiegel [14] basiert. Die selbe Webseite [15] präsentiert ein weiteres Papier [16] von Jean Deruelle, in dem er auch argumentiert, dass Doggerland der Standort der Großen Ebene von Atlantis (Abb. 3) war, die sich vom Osten der Doggerbank aus bis in das heutige Dänemark erstreckte. Plato beschrieb die Ebene als von einem riesigen Graben umgeben. Deruelle behauptet aber einfallsreich, dass es sich nicht um einen Graben, sondern um einen Damm handelte, der dazu bestimmt war, die langsamer werdenden Gewässer der Nordsee zurückzuhalten, die von der Gletscherung gespeist wurden. Er bemühte sich, diese Behauptung mit dem Vorschlag zu untermauern, dass das griechische Wort für den Graben „Taphros“ auch für Deich verwendet werden kann. Diese Interpretation erscheint nach W.K. Pritchett, einem angesehenen Historiker, möglich.

Robert John Langdon hat vorgeschlagen, dass Megalithbauer aus Afrika am Ende der Eiszeit nach Doggerland kamen und als Doggerland unterging, zogen sie auf das heutige britische Festland über und erbauten schließlich Stonehenge [17].

Die 2012 von Dr Richard Bates vom Department of Earth and Environmental Sciences der Universität St. Andrews organisierte Ausstellung „Drowned Landscapes“ zeigte ausführlicher die Flora und Fauna sowie das Leben der Bewohner dieser untergegangenen Welt. Ein Großteil der Informationen wurde aus Daten von Öl- und Gasunternehmen zusammen mit Artefakten vom Meeresboden gewonnen. Ähnliche Entdeckungen wurden tief unter den Gewässern der Hanöbucht nahe der schwedischen Küste [...] gemacht und auf etwa 7000 v. Chr. datiert.

Im Jahr 2015 wurde bekannt gegeben, dass es einer Reihe von Archäologen von britischen Spitzenuniversitäten durch 2,5 Millionen Euro von der Europäischen Union ermöglicht wurde, gemeinsam die bis dato intensivste Studie zu Doggerland zu betreiben. Im Jahr 2016 wurde gemeldet [18], dass alte Fußabdrücke von Erwachsenen und Kindern vor der Küste von Northumberland, früher ein Teil des Doggerlandes, entdeckt wurden. [19] Ihre Füße waren anscheinend beschuht.

Am Sonntag, dem 13. Januar 2019, begeisterte der Sunday Express des Vereinigten Königreichs seine Leser gleich mit zwei Atlantis-Stories [20] [21]. Erstens präsentierte die Online-Ausgabe der Zeitung eine Geschichte eines ihrer Reporter, der unter der Schlagzeile "Atlantis Discovered" behauptete, die Überreste einer alten 8.000 Jahre alten Stadt, in der einst "Zehntausende" lebten, seien in der Nordsee entdeckt worden, in einer riesigen Region, die manchmal als Doggerland bezeichnet werde. Der Reporter zitiert Dr. Richard Bates zur Unterstützung dieses Berichts. Leider wurde in den Kommentaren von Dr. Bates aus dem Jahr 2012 nie von einer „Stadt“ gesprochen, sondern von einem riesigen Gebiet, das von „Zehntausenden“, vermutlich frühen Bauern, besiedelt wurde. In derselben Ausgabe dieser Zeitung und vom selben 'Reporter' wurde unter einer anderen Schlagzeile bezüglich 'Atlantis Found?' ein Videoclip des maltesischen Eilands Filfla gezeigt, wobei der Kommentator uns erzählte, Plato habe gesagt, ein verheerendes Erdbeben habe Atlantis zerstört, was durch einen Vulkanausbruch vollendet wurde. Dies ist sachlich falsch, da Plato nie von einem Ausbruch gesprochen hat. Diese beiden Berichte sind eine traurige Widespieglung der Qualität heutiger Medienberichterstattung.


Siehe zu diesem Thema bei Atlantisforschung.de auch:



Zurück zur Sektion → "Ex occidente lux - Atlantis in West-Europa?"


Anmerkungen und Quellen

Atlantipedia-Logo 2.gif
Dieser Beitrag von Tony O’Connell (©) wurde seiner atlantologischen Online-Enzyklopädie Atlantipedia entnommen, wo er am 22. Juli 2010 2010 unter dem Titel "Doggerland" erschienen ist. Übersetzung ins Deutsche und redaktionelle Bearbeitung durch Atlantisforschung.de. Publikation am 07. Mai 2019.

Fußnoten:

  1. Siehe: o.A., "Hidden Doggerland underworld uncovered in North Sea", 04. Juli 2012, bei BBC News (abgerufen: 07. Mai 2019)
  2. Siehe: Ulf Erlingsson, "Atlantis and Paleogeography - Atlantis from a geographer's perspective" , bei Ireland Hotels (abgerufen: 07. Mai 2019)
  3. Rachel Louise Carson, "The Sea around us", Oxford University Press, New York, 1951; in deutscher Sprache: "Geheimnisse des Meeres", München (List), 1952
  4. Siehe: Nils Olof Bergquist, "Ymdogat--Atlantis: En utmaning till oss och vår tid!", Ängelholm (Förlaget Svenska böcker), 1971
  5. Siehe: Robert Graves, "The Greek Myths" (zweibändig), Penguin Books, 1955, S. 39 ff.]
  6. Siehe online: "ATLANTIDE - Cliquez sur les mots soulignés pour accéder aux pages correspondantes...", bei doggerbank.org (abgerufen: 07. Mai 2019)
  7. Siehe online: Sylvain Tristan, "The rational explanation of a myth?" bei The Golden Lines - The Official Website of French Author Sylvain Tristan" (abgerufen: 07. Mai 2019)
  8. Siehe: Guy Gervis, "The megaliths and after", 12. März 2005 bei www.guygervis.com (Seite inzwischen offline); der Artikel wurde am 17. September 2018 bei Atlantipedia.ie archiviert (siehe: Archive 2073)
  9. Siehe: Guy Gervis, "The megaliths and after" (II), März 2011 bei www.guygervis.com (Seite inzwischen offline); der Artikel wurde am 17. September 2018 bei Atlantipedia.ie archiviert (siehe: Archive 2074)
  10. Siehe: Rob Waugh, "'Britain's Atlantis' found at bottom of North sea - a huge undersea world swallowed by the sea in 6500BC", 3. Juli 2012, bei dailymail.co.uk (abgerufen: 07. Mai 2019)
  11. Siehe: Vincent Gaffney, Simon Fitch und David N. Smith, "Europe's Lost World: The Rediscovery of Doggerland (CBA Research Reports)", Council for British Archaeology, 2009
  12. Siehe: Bernhard Weninger, Rick Schulting, Marcel Bradtmöller, Lee Clare, Mark Collard, Kevan Edinborough, Johanna Hilpert, Olaf Jöris, Marcel Niekus, Eelco J. Rohling, Bernd Wagner: "The catastrophic final flooding of Doggerland by the Storegga Slide tsunami", Documenta Praehistorica XXXV, 2008; archiviert bei Internet Archive / Wayback Machine (abgerufen: 07. Mai 2019)
  13. Siehe: Anne-Marie de Grazia (Übersetzung und Bearbeitung), "Doggerland lost", bei Q-mag.org (abgerufen: 07. Mai 2019)
  14. Siehe: Axel Bojanowski, "Karte zeigt das versunkene Herz Europas", 06.07.2012, bei SPIEGEL ONLINE --- Red. Anmerkung: Siehe von A. Bojanowski zum Doggerland auch: "Nordsee - Tsunami-Katastrophe im Steinzeitparadies", 13.01.2015, bei SPIEGEL ONLINE (beide Artikel abgerufen: 07. Mai 2019)
  15. Red. Anmerkung: Auf Q-mag.org finden sich übrigens noch mehrere andere Artikel zum Thema Doggerland!
  16. Siehe: Anne-Marie de Grazia (Übersetzung und Bearbeitung), "The "Great Plain" of Atlantis - was it in Doggerland? - The Atlantis of Jean Deruelle - The "true heart of Europe"", © 2015, bei Q-mag.org; archiviert bei Internet Archive / Wayback Machine
  17. Siehe: Robert John Langdon, "The Stonehenge Enigma - The first part of Robert John Langdon's epic trilogy - PREHISTORIC BRITAIN", 3. Januar 2017, bei http://www.the-stonehenge-enigma.info stonehenge-enigma.info]. Siehe auch: "Archive 2071" bei Atlantipedia.ie (beide Links abgerufen: 07. Mai 2019)
  18. Siehe: Natalia Klimczak, "7,000-Year-Old Forest and Footprints Uncovered in the Atlantis of Britain", 18 Mai 2016, bei ancient-origins.net (abgerufen: 07. Mai 2019)
  19. Siehe dazu auch: Ian Harvey, "The discovery of the submerged “Stone Age Atlantis”", 17. Januar 2017, bei Vintage News (abgerufen: 07. Mai 2019)
  20. Siehe: Callum Hoare, "Atlantis UNCOVERED? Huge '8,000-year-old ancient city' discovered on British coast", , 13. Jan. 2019 bei express.co.uk (abgerufen: 07. Mai 2019)
  21. Siehe: Callum Hoare, "Lost city of Atlantis FOUND? Mediterranean rock formation 'MATCHES Plato's description'", 14. Jan. 2019 bei express.co.uk (abgerufen: 07. Mai 2019)

Bild-Quellen:

1) Doggerland - Europe's Lost Land, Heritage Daily, 7. Juli 2018; nach: democraticunderground.com
2) Luis Fernández García (Uploader) bei Wikimedia Commons, unter: File:Rachel-Carson.jpg
3) Bild-Archiv Tony O’Connell / Atlantipedia.ie