Reinhold Bichler

Forscher- und Autorenportrait

Abb. 1 Prof. em. Dr. Reinhold Bichler sowie das Frontcover des 4. Bandes von Historiographie - Ethnographie - Utopie (2008), einer Sammlung seiner fachwissenschaftlichen Schriften

(bb) Prof. Dr. Reinhold Bichler (* 19. Jan. 1947 in Innsbruck) ist ein arrivierter österreichischer Althistoriker, der sich vor allem mit antiker Geschichtsschreibung und Ethnographie befasst - schwerpunktmäßig mit Herodot [1] - sowie mit der Ideengeschichte des Altertums, vor allem mit antiken Utopien und ihrer Rezeption. In Bezug auf Platons Atlantisbericht gehört der Wissenschaftler zu den vehementen Verfechtern der Fiktionalitäts-These. Zudem beschäftigt er sich mit Theorie und Geschichte der Geschichtswissenschaft.

Biographische Notizen

Nach Erlangung der Matura im Jahr 1965 in Innsbruck, die er mit Auszeichnung ablegte, studierte Bichler an der dortigen Universität von 1966 is 1974 Alte Geschichte, Geschichte und Philosophie. Zwischen 1973 und 1974 arbeitete er als Universitätslektor am Institut für Alte Geschichte. Im Januar 1974 promovierte er sub auspiciis mit seiner Dissertation "Kritische Beiträge zum Problem der Geschichtsdarstellung in Schulbüchern", und wurde zum Universitätsassistenten ernannt.

1980 erfolgte Bichlers Habilitation mit der Hochschulschrift „Hellenismus. Geschichte und Problematik eines Epochenbegriffs". 1982 übernahm er an der Universität Innsbruck von Franz Hampl die ordentliche Professur für Alte Geschichte und Vergleichende Geschichtswissenschaft. In den Studienjahren 1991 bis 1992 war Bichler als Prodekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität tätig. 2013 erfolgte seine Emeritierung.

Abb. 2 Hier das Frontcover des Reprints (2015) von R. Bichlers Werk "Herodots Welt"

Prof. Bichler ist korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und des Deutschen Archäologischen Instituts. Seit 1973 ist er mit Maria Bichler, geb. König (MTA), verheiratet. [2]

Reinhold Bichler und Atlantis

Platons Atlantis betrachtet Prof. Bichler als "politisch gedachte Utopie, genauer: in Dystopie gewandelte Eutopie des Staates" [3] sowie umgangssprachlich als platonische "Kopfgeburt" und eine "grandiose Fiktion" [4]. In diesem Sinne zeigt der Althistoriker zwar großes Verständnis für Atlantis als kulturelles Faszinosum, wenig dagegen für seine Betrachtung oder Diskussion als reale historisch-geographische Entität.

So erklärt er beispielsweise: "Die außerordentliche Faszination von Atlantis besteht nicht zu Unrecht. Sein Name verkörpert zivilisatorischen Reichtum und imperiale Macht in all ihrer Verlockung und erfüllt zugleich unser Verlangen nach der Bestrafung verbotener Wünsche. So naiv [sic!; d.Red.] es anmuten mag, seine Spuren in dinglicher Realität zu suchen [5], so berechtigt ist es, die Position von Atlantis in der Geschichte unseres politischen Bewußtseins und unserer utopischen Projektionen zu suchen." [6]

Und an anderer Stelle bemerkt er: "Die mit >harten< Methoden arbeitende Forschung kann zwar mutmaßliche Inspirationsquellen für Platon ausfindig machen (einschließlich schwerer Erdbeben und Flutkatastrophen zu Platons Zeit), betont aber die philosophisch lehrhaften Anliegen und die vielen politischen und literarischen Anspielungen in dieser Geschichte. Dessen ungeachtet wird seit Jahrhunderten ein >wirkliches< Atlantis gesucht und an allen möglichen Orten >gefunden< [...] – überall lassen sich die Spuren von Atlantis finden, wenn man Platons Text nur lange genug >interpretiert<." [7]

Es bleibt anzumerken, dass Reinhold Bichler und sein Gesamtwerk, obwohl auch er in zumindest einem Fall der Versuchung erlegen ist, die höchst dubiose Vokabel "Atlantis-Manie" zu verwenden, und auch wenn er in diesem Zusammenhang explizit atlantophobe Autoren - namentlich Burchard Brentjes und William H. Stiebing Jr. - positiv rezipiert [8], keinesfalls in eine 'Schublade' mit 'Atlantologie-Krtikern' jener Couleur und deren Ergüssen zu stecken sind. Vielmehr sind Bichlers Arbeiten, die geradezu ein Füllhorn an wichtigen Informationen zum Verständnis von Kultur, Literatur und Geschichte Altgriechenlands darstellen, auch denjenigen zur Lektüre zu empfehlen, die in Hinsicht auf das Atlantis-Problem und dessen Erforschung zu ganz anderen Schlüssen gelangen als er.

Publikationen mit Atlantis-Bezug (Auswahl)

  • "Athen besiegt Atlantis. Eine Studie über den Ursprung der Staatsutopie", in: Conceptus. Zeitschrift für Philosophie, Jg. 20, Nr. 51, 1986, S. 71-88
  • "Die Position von Atlantis în der Geschichte der Utopie", in: Götz Pochat und Brigitte Wagner (Hrsg.), "Utopie. Gesellschsftsformen - Künstlerträume", Graz (Kulturhistorisches Handbuch 26), 1996, S. 32-44


Anmerkungen und Quellen

Fußnoten:

  1. Siehe z.B.: Reinhold Bichler, "Herodots Welt - Der Aufbau der Historie am Bild der fremden Länder und Völker, ihrer Zivilisation und ihrer Geschichte", Berlin (Akademie Verlag), 2000; Reprint: De Gruyter, 2015
  2. Quellen: Universität Innsbruck (Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik), unter: "em. o. Univ.-Prof. Dr. Reinhold Bichler"; sowie: Wikipedia - Die freie Enzylopädie, unter: "Reinhold Bichler" (beide abgerufen: 20. März 2017)
  3. Quelle: Robert Rollinger (Hrsg.), "Historiographie - Ethnographie - Utopie Gesammelte Schriften, Teil 2: Studien zur Utopie und der Imagination fremder Welten", Wiesbaden (Harrassowitz Verlag), 2008, S. 102
  4. Quelle: Reinhold Bichler, zit. nach: Dieter Lohmann, "Mythos Atlantis: Die Suche nach einem sagenhaften Inselreich", YOUPublish (scinexx.de eDossier), 2016, Kap.: Reales Szenario oder Kopfgeburt?
  5. Red. Anmerkung: Interessanterweise fügt Bichler hier - quasi relativierend - eine Fußnote (Fn. 52) ein, in der es heißt: "Allerdings waren sich selbst kritischere Geister unter den Alten schon nicht ganz schlüssig darüber, ob sie die Geschichte von Atlantis als Fiktion - plasma - ansehen sollten oder nicht; vgl. Strab. II 3,6 = C 102; Plut. Solon 31 erwägt die Alternative mythos oder logos für die Geschichte von Atlantis, deren Herkunft über Solon er nicht anzweifelt..." --- Wir empfehlen für eine vollständige Übersicht bezüglich Meinungsäußerungen antiker Autoren zum Thema 'Atlantis': Thorwald C. Franke, "Kritische Geschichte der Meinungen und Hypothesen zu Platons Atlantis - Von der Antike über das Mittelalter bis zur Moderne", Books on Demand GmbH, Norderstedt, Juli 2016, broschiert, 596 Seiten ISBN 978-3-7412-5403-1
  6. Quelle: Robert Rollinger (Hrsg.), op. cit., S. 102
  7. Quelle: Reinhold Bichler, "Gab es Atlantis wirklich? (Essay), in: Isabella Ackerl, Johann Lehner und Johannes Sachslehner (Hrsg.), "Wissen! Antworten auf unsere großen Fragen", Styria-Verlag in der Verlag-Gruppe Styria, 2007
  8. Siehe: Robert Rollinger (Hrsg.), op. cit., S 92, Fn. 11

Bild-Quellen:

1) Links: Goethe-Universität Frankfurt am Main, unter: IGK Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert - Beteiligte Wissenschaftler
1) Rechts: Harrassowitz Verlag / Bild-Archiv Atlantisforschung.de
2) Verlag De Gruyter / Bild-Archiv Atlantisforschung.de