Paläo-Anthropologie und Atlantisforschung

Abb. 1 Die Erforschung der Entwicklung des Menschen und der Geschichte verschiedener menschlicher Formen (z.B. Cro-Magnon-, Neandertal- und Aurignac-Mensch) gehört auch für Alternativ- bzw. PrimhistorikerInnen und Atlantologen zu den zentralen Bereichen ihrer Arbeit.

(bb) Die Anthropologie wurde, laut DUDEN, noch vor einigen Jahren folgendermaßen definiert: "a) Wissenschaft vom Menschen u. seiner Entwicklung in Natur- und geisteswissenschaftlicher Hinsicht; b) Geschichte der Menschenrassen." [1] Was den Punkt "a" angeht, gehört sie somit ganz zweifellos auch sie zu den wesentlichen 'Hilfswissenschaften' der modernen grenzwissenschaftlichen Menschheits- und Zivilisations-Geschichtsforschung, selbst wenn diese Inanspruchnahme vielen konventionellen, schulwissenschaftlichen Anthropologen ein gewisses Unbehagen bereiten dürfte.

Halten wir dazu kurz fest, dass neben Mainstream-Historikern und -Geologen bisweilen gerade konventionelle Paläo-Anthropologen eine besonders herzliche Antipathie gegen 'Donnelly´s Erben' entwickeln. Während sich die traditionelle Haupt-Konfrontationslinie zwischen schulwissenschaftlicher Geologie und Atlantisforschung (siehe dazu: Geologie - Antipode oder Hilfswissenschaft der Atlantisforschung?) an der Streitfrage festmachen lässt, ob während rezenter Perioden - und innerhalb kürzester Zeit - größere Landmassen (Groß-Inseln bzw. "Kleinkontinente") im Atlantik versunken sind [2], beruht der Dissens universitärer Anthropologen mit den Repräsentanten der 'klassischen' Atlantis-Hypothese [3] vor allem auf den unvereinbaren Modellen beider Parteien zu den Paläo-Migrationen der Menschheit.

Genauer gesagt, resultiert die Kontoverse zwischen anthropologischen "Phuddy Duddies" und atlantologischen "Crackpots" nicht zuletzt aus der Inkompatibilität der von beiden Seiten über viele Jahrzehnte hinweg entwickelten und verteidigten Vorstellungen zur Besiedlung Paläo-Amerikas (vergl. dazu: Die Besiedlungsgeschichte Amerikas und das Atlantis-Problem). So halten die meisten Berufs-Anthropologen nach wie vor an einem Konzept fest, das von einer ausschließlichen, end-glazialen [4] Immigration mongolider Großwildjäger aus Sibirien über die damals noch oberhalb des Meeresspiegels liegende Beringstraße nach Amerika ausgeht. Obwohl sie inzwischen durch erdrückende Evidenzen als widerlegt betrachtet werden darf (vergl. dazu: Farewell, Clovis! - Vom langsamen Sterben eines Paradigma), wird diese "Lehrmeinung" - zumindest in den USA - nach wie vor von einem Großteil der ForscherInnen akzeptiert und zur Grundlage anthropologischer Studien und Forschungen gemacht. [5]

Abb. 2 Die Besiedlungs-Geschichte Paläo-Amerikas durch den Menschen wurde zum zentralen Streitpunkt zwischen Mainstream-Anthropologie und nonkonformistischer Atlantologie. Kamen die ersten Amerikaner über die Bering-Landbrücke im Norden (Bild), oder auf dem Seeweg aus dem atlantischen und pazifischen Raum?

Der 'grenzwissenschaftliche Mainstream' der Atlantologie vertritt dagegen moderne [6] diffusionistische Modelle (siehe dazu auch: Stichwort: Diffusionismus), die von wiederholten überseeischen Einwanderungswellen - via Atlantik u n d Pazifik - auf den amerikanischen Doppelkontinent ausgehen, welche im Verlauf von möglicherweise bis zu 300 000 Jahren erfolgt sind. [7] Gerade, was paläo-atlantische (vergl. z.B.: Die Clovis-Solutréen-Connection und Genetische Übereinstimmungen zwischen Europäern und Indianern von Peter Marsh) bis proto-historische Migrationen angeht, passt sich ein historisches Vorbild (oder auch mehrere!) für Atlantis bzw. für die bei Platon beschriebene Inselwelt (Timaios, 24e-25d) nahtlos in den Rahmen der mittlerweile vorliegenden Evidenzen ein.

Die vermuteten 'Atlantiden' (Atlantik-Inseln), die in der Literatur der Antike und dem Mythen der zirkumatlantischen Völker ihren kulturellen Nachhall fanden, bilden dabei nicht im eigentlichen Sinn die Grundlage dieser diffusionistischen Modelle und Szenarien; sie liefern vielmehr einen Schlüssel zum Verständnis der verwirrenden Komplexität dieser Migrations-Prozesse und ihrer anthropologischen bzw. ethnologischen Auswirkungen, z.B. dem Auftauchen und Verschwinden vermuteter Zweige bzw. Sonderformen [8] des modernen Menschen sowie von Hominiden in Europa, Afrika und Amerika. Bei einem solchen 'Kommen und Gehen' würde die paläolithische Inselwelt des Atlantik wichtige Sprungbretter für Ozean-Überquerungen - in beiden Richtungen! - gebildet haben. Könnten dort die 'Schmelztiegel' kultureller Diffusion gelegen haben, die das Entstehen von zirkum-atlantischen Zivilisationen ermöglichten und forcierten? [9]

Für Forschungs-Bereiche wie die alternative Prähistorik bzw. Primhistorik [10] und Atlantisforschung sind anthropologische Probleme und Fragestellungen, wie wir sehen, von zentraler Bedeutung: Wie alt ist die Menschheit eigentlich? In welchem 'Verwandschafts-Verhältnis' stehen der Homo sapiens und andere hominide Formen? Wann und wie entwickelten sich Kultur und Zivilisation? Gab es vormenschliche Hoch-Kulturen bzw. Zivilisationen? Wie erfolgte die Besiedlung der Erde durch Menschen und Hominiden? Gab es, noch unbekannte, Variationen des modernen Menschen?

Aus diesem Interesse heraus entwickeln sich explizit krypto-anthropologische Forschungsfelder und Gebiete, wie etwa die Gigantologie ("Riesenforschung"; vergl. dazu: Riesen, Zwerge & Co - Traumwesen, Märchengestalten oder prädiluviale Spezies?). Krypto-Anthropologie (in gewisser Weise ein Spezialgebiet innerhalb der weiter gefassten Krypto-Paläontologie und -Zoologie) beschäftigt sich vor allem mit der Frage nach der (möglichen) Historizität [11] humanoider "Fabelwesen", wie Satyre [12], Riesen und Zwerge (vergl. z.B.: Wer waren die 'Zwerge' und 'Riesen' der Vorzeit? von Uwe Topper) oder so genannter "Göttergestalten" (siehe z.B.: Blaue 'Götter' - einem Mythos auf der Spur).

Sowohl bei der Betrachtung menschlicher Paläo-Migrationen (siehe z.B.: Beringstraßen-Theorie und indianische Überlieferungen von Itztli Ehecatl) als auch zur Identifikation möglicher Variationen des modernen Menschen greift grenzwissenschaftlich-anthropologische Forschung auch auf geisteswissenschaftliche Instrumente und Fachgebiete, wie die Sprachwissenschaften und die Mythologie, zurück (siehe auch: Stichwort: Euhemerismus). Sie nimmt damit nicht nur - wie Grenzwissenschaft an sich - eine oppositionelle Haltung gegenüber dem herrschenden Scientismus [13] ein, sondern sie widersetzt sich sich auch jedem rigiden Anthropologismus [14].

Schließen wir diese kurze Betrachtung zum Verhältnis von konventioneller Anthropologie und Paläo-Historik auf der einen Seite, sowie alternativer Anthropologie und nonkonformistischer Atlantisforschung auf der anderen Seite der 'intellektuellen Barrikade', mit einer versöhnlichen Anmerkung ab: zumindest vereinzelt scheint es auch wesentliche Erkenntnisse zu geben, über die offenbar ein Konsens besteht. Als Beispiel sei hier - und damit kommen wir auf Punkt "b" der eingangs vorgestellten Duden-Definition von Anthropologie zurück, den wir wohl als obsolet betrachten dürfen - die klare Ablehnung der Anwendung des "Rasse"-Begriffs und von "Rasse-Kriterien" in Bezug auf den heutigen Menschen (Homo sapiens sapiens) genannt. (Zu einer konformistisch-anthropologischen Kritik des "Rasse"-Begriffs siehe extern: Wir sind alle Afrikaner von Prof. Dr. Volker Sommer; zu einer alternativ-historischen Distanzierung von diesem Begriff siehe z.B.: "Der Mythos von den angeblichen »Rassen« der Menschheit" von Dr. Horst Friedrich), sowie: Martin Marheinecke, "„Menschenrassen gibt es nicht!" - Bringen die Ergebnisse der Genforschung das Ende des Rassismus?") Derartige, zumindest punktuelle, Übereinstimmungen in höchst wesentlichen Fragen mögen es immerhin beiden Parteien künftig erleichtern, aufeinander zuzugehen und miteinander zu diskutieren!


Beiträge zu diesem Thema

  • Neandertaler - Die rätselhaften 'Vettern' des modernen Menschen (red, 2015)


Externa:

  • „Out of Africa“?, aus: SYNESIS-Magazin Nr. 4/2011 (PDF-Datei, 299,32 KB) von Andreas Delor (Argumente gegen die 'Out of Africa'-Modehypothese des antropologischen Mainstreams)


Anmerkungen und Quellen

  1. Quelle: DUDEN, Band 5, Das Fremdwörterbuch, 4. neu bearb. u. erw. Aufl., Mannheim / Wien / Zürich, 1982, S. 68
  2. Anmerkung: Vergl. dazu Der geologische Streit um den versunkenen "Kleinkontinent" im Atlantik (bb) sowie Geo-mythologische Überlegungen zu Atlantis von Alexander und Edith Tollmann --- Geologische und ozeanographische Evidenzen für Atlantis von R. Cedric Leonard --- Der Boden des Atlantiks von Immanuel Velikovsky --- Atlantis - Geologische Argumente für eine Großinsel im Mittel-Atlantik von Klaus Aschenbrenner sowie das Online-Interview (Feb. 06) mit dem Geologen Dr. Gernot Spielvogel vom Atlantis Institut (Überlingen). Siehe: Die 'Wiederauferstehung' der klassischen Atlantis-Theorie?
  3. Anmerkung: Unter der "klassischen" Atlantis-Hypothese versteht man die Annahme, dass es sich bei dem historischen Vorbild für Platons legendäres Vorzeit-Reich um einen bewohnten, zentral-atlantischen Kleinkontinent bzw. eine Großinsel im Gebiet der heutigen Azoren gehandelt habe, die vor etwa 11 500 Jahren infolge eines kataklysmischen Ereignisses zerstört worden sei und unterging.
  4. Anmerkung: END-GLAZIAL (ENDGLAZIAL) = am / gegen Ende einer glazialen Periode (einer 'Eiszeit'). Im Kontext dieses Beitrags ist die jüngste 'Eiszeit' (mit der Bezeichnung 'Würm V' in Europa, 'Wisconsin-Glazial' in Nordamerika) gemeint.
  5. Anmerkung: In der europäischen Paläo-Anthropologie sind inzwischen auch Modelle 'salonfähig', die von einer Besiedlung Amerikas vor bis zu 50 000 Jahren ausgehen (Siehe z.B..: DIE WELT, 20. 10. 06, S. 27).
  6. Anmerkung: Zur Entwicklung diffusionistischer Auffassungen bzw. zu den Unterschieden zwischen Diffusionismus-Modellen des 19. Jahrhunderts (z.B. dem Heliozentrismus) und der Gegenwart siehe z.B.: Diffusionismus - zur Diskussion eines umstrittenen Konzepts
  7. Anmerkung: Das "Clovis" alternativer Anthropologie und Paläo-Historik heißt Toca da Esperanca ("Grotte der Hoffnung"), und befindet sich in den brasilianischen Serra-Negra-Bergen, 1100 Meilen nordöstlich von Rio de Janeiro. Dort entdeckte im Jahr 1986 ein Archäologen-Team um die Fachwissenschaftlerin Maria Beltrao bearbeitete Lithen sowie zerschnittene Knochen einer ausgestorbenen Pferde-Art. Letztere wurden von einem französischen Institut mit der Uraniumthorium-Methode auf ein Alter von etwa 300 000 Jahren datiert (siehe dazu: Eine 300 000 Jahre alte Prä-Neandertaler-Fundstätte in Brasilien von William R. Corliss).
    Gefolgt wird dieser 'Alters-Champion' archäologischer Fundstätten auf dem amerikanischen Doppelkontinent von Calico in Kalifornien, wo 1987 menschliche Überreste mit einem vermutlichen Alter von bis zu 200 000 Jahren exhumiert wurden (siehe dazu: Einige Bemerkungen zur Calico-Debatte von William R. Corliss). Offenbar bis zu 125 000 Jahren alt sind lithische Artefakte, auf die 1951 der Archäologe Thomas Lee auf der Manitoulin-Insel im Huronsee stieß (siehe dazu: "Sie finden doch da unten nicht wirklich etwas?" - Thomas E. Lee´s unerwünschte Entdeckungen). Und immerhin deutlich älter als 50 000 Jahre scheinen zudem Knochen und Artefakte zu sein, die 1976 durch schwere Regenfälle am Yuha Pinto Wash in Kalifornien freigelegt wurden (siehe: Die Beringstraßen-Theorie kommt erneut ins Schleudern von William R. Corliss).
  8. Anmerkung: Um eine solche Sonderform handelt es sich vermutlich bei den sagenhaften "Riesen mit den doppelten Zahnreihen", deren vormalige Existenz von mythologischen Indizien beiderseits des Atlantik und m a s s i v e n archäologischen bzw. archäologie-geschichtlichen Evidenzen in Nordamerika untermauert wird. Siehe dazu: 1.) Bernhard Beier, "Das Land der Riesen, die Satyre, Meropa und Atlantis", unter: Riesen in den Legenden nordamerikanischer Indianer und Homo sapiens gigantus duplodontialis (Die 'original amerikanischen' Riesen mit den doppelten Zahnreihen); 2.) Die kanadischen 'Riesen' - Wer besiedelte vor 4000 Jahren das Tal des St. Lorentz-Stroms? von G. Iudhael Jewell
  9. Anmerkung: Zum besseren Verständnis dieser atlantologischen Annahme siehe folgende Diffusionismus-Definition: "Der Diffusionismus ist ein heterogenes Ideengebäude zur Erklärung kultureller und zivilisatorischer Entwicklung des Menschen sowie zur Entstehung von Hochkulturen. Im Gegensatz zum Modell des >Isolationismus< wird dabei Interaktion als grundlegende Triebkraft kultureller Entwicklungs-Prozesse verstanden: >Nach diffusionistischer Auffassung ist jede kulturelle Höherentwicklung [...] ein Produkt aus übergreifenden Kontakten.< (Naudiet, 1996) Der Nestor des Diffusionismus im deutschsprachigen Raum, Dr. Horst Friedrich, >sieht in jeder neu entstandenen Hochkultur ein »ethno-linguistisches und kulturelles Amalgam«. In diesem Begriff verbinden sich Ethnie, Sprache und Kulturausdruck zu einer spürbaren Einheit. Betrachten wir die frühen und auch heutigen Kulturen der Erde, so wird unvermittelt deutlich, dass kulturelle Entwicklung prinzipiell diffusionistisch angelegt sein muss<. (ebd.)" Quelle: Diffusionismus-Definition nach Friedrich, Naudiet, Beier; Atlantisforschung.de (2005)
  10. Anmerkung: PRIMHISTORIK = Die Primhistorik ist ein alternativ-historisches Forschungsgebiet, das sich mit der Möglichkeit entwickelter, 'späteiszeitlicher' (oder noch früherer) Menschheitskulturen sowie mit der Beweisführung ihrer vormaligen Existenz und mit ihrer Identifizierung beschäftigt. Geprägt wurde dieser Begriff in den 1970er Jahren durch den französischen Alternativ-Historiker und Paläo-SETI-Forscher Robert Charroux. (Definition durch Atlantisforschung.de, 2005)
  11. Anmerkung: HISTORIZITÄT = Geschichtlichkeit, historische Authentizität
  12. Anmerkung: Zu Satyren und Satyroiden in der antiken Mythologie siehe Bernhard Beier, "Das Land der Riesen, die Satyre, Meropa und Atlantis", unter: Ein "Satyr" berichtet von Riesen aus Amerika; zu archäologischen Spuren der 'Gehörnten' in Amerika siehe: ebd., Teil IV, Anostos, das letzte Refugium der Riesen und Satyre, Indizien für 'gehörnte Götter' in Nord-Amerika
  13. Anmerkung: SCIENTISMUS = 1.) Ideologische, neo-scholastische Auffassung von Wissenschaft; 2.) Wissenschafts-Gläubigkeit, blinde oder auch opportunistische Akzeptanz wissenschaftlicher, paradigmatisch konformer Mainstream-Positionen durch Fachleute und Öffentlichkeit (Definition durch Atlantisforschung.de, 2006)
  14. Anmerkung: ANTHROPOLOGISMUS = "Auffassung, dass die naturwissenschaftlich orientierte Anthropologie die grundlegende Wissenschaft vom Menschen sei (Feuerbach)." Quelle: DUDEN, Band 5, Das Fremdwörterbuch, 4. neu bearb. u. erw. Aufl., Mannheim / Wien / Zürich, 1982, S. 68

Bild-Quellen:

1) Science in Africa - Africa's First Science On-Line Magazine (Bild-Bearbeitung durch Atlantisforschung.de)
2) www.ic.arizona.edu (nicht mehr online)